Generalversammlung der UNO
UN-Generalsekretär sieht Welt "am Rande eines Abgrunds”

76. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York am 21. September 2021.
Foto: Eduardo Munoz-Pool/Getty Images
Mit einem an die USA und China gerichteten Aufruf zum Dialog und zur Verständigung hat UN-Generalsekretär António Guterres die Generaldebatte der 76. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eröffnet. “Ich bin hier, um Alarm zu schlagen”, sagte Guterres am Dienstagvormittag (Ortszeit). Die Welt müsse aufwachen.
Er befürchte, dass sich die Welt in zwei Gruppen aufspalte “mit unterschiedlichen wirtschaftlichen, handelspolitischen, finanziellen und technologischen Regeln, unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz – und letztlich zwei unterschiedlichen militärischen und geopolitischen Strategien”.
Dies sei “ein Rezept für Ärger” und “deutlich weniger vorhersehbar als der Kalte Krieg”, warnte Guterres. Um Vertrauen wiederherzustellen, “brauchen wir Kooperation”. “Wir stehen am Rande eines Abgrunds und bewegen uns in die falsche Richtung”, so Guterres weiter.
“Die Welt ist noch nie so gespalten”
Die Welt sei noch nie so bedroht oder gespalten gewesen. Guterres sprach von der “größten Krisenkaskade” für die aktuelle Generation. Als Beispiele nannte er Covid-19, die Klimakrise sowie zahlreiche gewaltsame Konflikte.
“Eine Welle von Misstrauen und Fehlinformationen polarisiert die Menschen und lähmt Gesellschaften”, fügte der Portugiese hinzu. Menschenrechte und die Wissenschaft würden angegriffen. Guterres rief die internationale Gesellschaft zu mehr Solidarität auf, um gegen die Probleme anzukämpfen.
US-Präsident erwartet “entscheidendes Jahrzehnt”
Auch US-Präsident Joe Biden sieht die Welt an einem “Wendepunkt” in der Geschichte. Er erwarte ein “entscheidendes Jahrzehnt”, welches “im wahrsten Sinne des Wortes unsere Zukunft bestimmen wird”, sagte Biden in der Generaldebatte.
“Anstatt die Kriege der Vergangenheit weiterzuführen, richten wir unseren Blick darauf, unsere Ressourcen den Herausforderungen zu widmen, die den Schlüssel zu unserer gemeinsamen Zukunft darstellen.” Die USA seien zwar auch bereit zum Einsatz von Gewalt, falls dies nötig sei, doch müsse militärisches Vorgehen “das letzte Mittel” der Wahl sein.
Mit Blick auf mögliche künftige US-Militäreinsätze sagte Biden, diese müssten immer “klar und erreichbar” sein und “mit der informierten Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung” erfolgen. Zudem sollten solche Einsätze wo immer möglich “in Partnerschaft mit unseren Verbündeten” gestartet werden.
Auch Terrorismus sei weiterhin ein Problem. Biden verteidigte erneut den Afghanistan-Abzug. Man habe einen 20-jährigen Konflikt beendet, sagte er. “Wir eröffnen eine neue Ära nicht nachlassender Diplomatie”, fügte er hinzu. Man werde Entwicklungshilfe in neue Wege investieren, um Menschen auf der ganzen Welt zu fördern.
Biden hat in seiner Rede versichert, keinen “neuen Kalten Krieg” mit China anzustreben. Die USA seien zwar bereit zu einem “Wettbewerb” mit anderen Nationen, sagte Biden am Dienstag im Plenarsaal der UN-Vollversammlung. Die USA würden aber keinen “neuen Kalten Krieg oder eine in starre Blöcke geteilte Welt” wollen.
U-Boot-Konflikt
Überschattet wird das Treffen von dem Streit zwischen Frankreich und den USA sowie Australien wegen eines U-Boot-Geschäfts, der ebenfalls vor dem Hintergrund der US-Politik gegenüber China zu sehen ist.
Im Rahmen des neuen Aukus-Bündnisses hat Australien eine 2016 vereinbarte Bestellung von zwölf französischen U-Booten im Vertragswert von 31 Milliarden Euro überraschend aufgekündigt. Stattdessen will Canberra nun modernere Atom-U-Boote der USA bestellen.
Frankreich dringt nach Angaben eines EU-Diplomaten darauf, den ersten gemeinsamen Technologie- und Handelsrat der EU mit den USA kommende Woche Mittwoch in Pittsburgh zu verschieben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte ihn beim Gipfeltreffen mit Joe Biden im Juni vereinbart, um Handelsstreitigkeiten schneller klären zu können.
Auch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien dürfte vorerst auf Eis liegen, wie der Vorsitzende des EU-Parlamentsausschusses für internationale Handelspolitik, Bernd Lange (SPD), sagt.
Die Europäer richten nun ihre Hoffnungen auf ein Telefonat zwischen Biden und Macron, das in den kommenden Tagen geplant ist. Während Biden nach Angaben seines Umfelds die Wogen glätten will, betonte ein Berater Macrons, es gehe “nicht um Versöhnung, sondern um Klarstellung”. Allzu einfach will es Macron dem US-Präsidenten offenbar nicht machen. (dts/afp/dl)
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