Die Versuchung durch die Macht
Politologe Merkel: „Sie haben die Macht genossen“ und die Parlamente an den Rand gedrängt
Der deutsche Politologe Professor Wolfgang Merkel fordert: „Wir sollten die Amtszeiten von Kanzlern begrenzen.“ Auch in der Ministerpräsidentenkonferenz sieht der Politikwissenschaftler eine Gefahr für unsere Demokratie. Er warnt: Es gibt Strukturprobleme in unserer Verfassung.

Angela Merkel und zwei der 16 Ministerpräsidenten: Michael Müller (Berlin, li.) und Markus Söder (Bayern, re.). Pressekonferenz nach einem Video-Treffen mit den Länderchefs.
Foto: Filip Singer - Pool/Getty Images
Sie sollen maximal zwölf Jahre amtieren: die Kanzler oder Kanzlerinnen Deutschlands. Dies fordert der deutsche Politikwissenschaftler Professor Wolfgang Merkel, Demokratie-Direktor vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
In einem Interview mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) erinnerte Professor Merkel daran, dass die Bundeskanzlerin schon seit 16 Jahren regiert und ihre „kreativen Energien“ erschöpft scheinen. Auch sei ihre Autorität gegenüber den Länderchefs geschmolzen. Doch das Problem liegt nicht nur an Angela Merkel, weiß der Professor.
Von Kanzlern und Königen
Es sei ein Strukturfehler, dass die deutsche Verfassung zulasse, dass man so lange am Stück regieren kann. Er erinnerte an Adenauer, an Kohl, nun Merkel. Man solle die Amtszeit auf höchstens drei Legislaturperioden begrenzen, findet er, „damit uns nicht demokratische Ersatzkönige und -königinnen regieren“.
Auch für die gehäuften Fehler der letzten Monate sei ein Strukturproblem verantwortlich. Eine dieser Strukturen, die wichtigste, seien die Treffen der Kanzlerin mit den 16 Ministerpräsidenten.
Da habe man ein informelles Gremium installiert, „das nicht besonders demokratisch ist“ und die Parlamente, der Bundestag und die Landtage, seien an den Rand gedrängt worden.
Die Macht genossen, das Vertrauen verspielt
Das geänderte Infektionsschutzgesetz habe einen so weiten Spielraum für die Exekutive gelassen, dass die Lücke mit dem im Grundgesetz nicht vorgesehenen Gremium der Ministerpräsidentenkonferenz gefüllt worden sei, erklärt der Politikwissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin.
„Und wenn Institutionen so viel Macht an sich ziehen können, dann geben sie diese Macht so schnell nicht wieder her.“
Hinzu sei noch gekommen, dass das Kanzleramt die Entscheidungen schlecht vorbereitet und die Ministerpräsidenten unter Zeitdruck gesetzt habe. Das sei eine Strategie des Kanzleramtes, der die Ministerpräsidenten aber auch gern gefolgt seien. „Sie haben die Macht genossen, die sie durch die Ministerpräsidentenkonferenz bekommen haben“, sagte Professor Merkel.
Doch das Vertrauen, die wichtigste Währung in der Politik, sei dabei teilweise verspielt worden. Und die Wirksamkeit der Gesetze sei nicht nur von etwaigen Sanktionen abhängig, sondern auch von der Einsicht der Bürger, so Merkel. „Ohne ein hohes Maß an Freiwilligkeit funktionieren Demokratien nicht.“ (sm)
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