Präventivhaft in der Kritik
China: Wen Jiabao schlägt Abschaffung der Arbeitslager vor

Administrativhaft bis zu vier Jahren wird in China ohne Gerichtsverfahren verhängt.
Foto: AFP/Getty Images
Kurz vor der Eröffnung des 18. Parteitages der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) wird ein weiterer Eckpfeiler des chinesischen Machtapparates in Frage gestellt. Der amtierende Premierminister Wen Jiabao soll auf einer wichtigen Parteiveranstaltung das Ende der Umerziehung in Arbeitslagern gefordert haben.
Das System der Arbeitslager in China basiert auf der „Entscheidung des Staatsrates über die Umerziehung in Arbeitslagern” aus dem Jahr 1957, die einer Verordnung gleichkommt, aber kein Gesetz ist. Kritik kommt sogar aus dem regierungsnahen Magazin „Qiushi”, in dem gesagt wird, dass diese Verordnung nicht mehr zeitgemäß sei und in Widerspruch zu den Grundrechten stehe. Die Umerziehung in Arbeitslagern sei keine strafrechtliche Maßnahme, sondern diene dazu, möglicher Kriminalität vorzubeugen. Auf der chinesischen Webseite boxun.com ist eine noch umfangreichere Kritik dieser Verordnung zu finden. Es wird unter anderem dargestellt, dass sie in Widerspruch zu geltendem Recht in China stehe, da die Einschränkung persönlicher Freiheiten nur durch ein Gesetz geregelt werden dürfe. Gängige Praxis sei jedoch, dass Personen bis zu vier Jahre in ein Arbeitslager geschickt werden können, ohne jemals vor Gericht gestanden zu haben.
Nach Berichten der chinesischsprachigen Epoch Times, Dajiyuan, habe die KPCh im Oktober indirekt zugegeben, dass derzeit etwa 190.000 Personen in Arbeitslagern sitzen, darunter viele Andersdenkende und Falun Gong-Praktizierende. [Anm. der Andere Quellen geben wesentlich höhere Zahlen bis zu vier Millionen an.] Dajiyuan zitierte die Hongkonger Zeitung „Zhengming”, der zufolge Wens Vorschlag, dieses System abzuschaffen, auf heftige Kritik aus den Reihen des Komitees für Politik und Recht gestoßen sei. Sie seien eher dafür, das System zu erhalten, aber beispielsweise die Haftdauer zu reduzieren. In einem Forum der Webseite tianya.cn mutmaßen Internetnutzer, dass dieses System eher auf finanziellen Interessen, denn auf stabilitätspolitischen Überlegungen beruhe.
Nach Einschätzung von Zhengming, beinhaltet das Thema genügend Zündstoff, um schwere Auseinandersetzungen in der Führungsebene der KPCh hervorzurufen und sich sogar zu einer gesellschaftlichen Krise auszuwirken.
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