36-Jähriger rettet Opfer vor drei Angreifern – Prozessauftakt vor Landgericht Gera
Die Hilfeschreie einer Frau hallten in einer Februarnacht durch die Leipziger Straße in Gera. Zwei weitere Männer sind schwerverletzt. Aber nur ein Anwohner wagt, ihnen zur Hilfe zu eilen. Alle anderen Schaulustigen betrachten die Szene aus sicherer Entfernung von ihrem Fenster. Ab 22. Juli stehen die drei mutmaßlichen Täter vor dem Landgericht Gera wegen versuchten Totschlags und schwerer gefährlicher Körperverletzung.

Die Polizei im Einsatz.
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Die mutmaßlichen Täter sind syrischer, iranischer und afghanischer Abstimmung und 15, 19 und 21 Jahre alt. Die Tatwaffe, ein Cuttermesser mit einer drei Zentimeter ausgefahrener Klinge, hat tiefe Schnittwunden in den Gesichtern ihrer Opfer hinterlassen. Ohne das beherzte Einschreiten eines Anwohners wären sie möglicherweise nicht mehr am Leben.
Zweimal wurde er in seiner Wohnung überfallen, einmal krankenhausreif geschlagen. S. Werner aus Gera weiß, wie es ist, wenn man keine Hilfe bekommt. Im Februar 2020, hört er nachts plötzlich Schreie auf der Straße. „Hilfe, Hilfe, helft uns, der hat ein Messer“, rief eine Frauenstimme. Als der 36-Jährige zum Balkon rennt, sieht er auf der gegenüberliegenden Straßenseite drei Männer, die zuvor randaliert hatten. Jetzt richtet sich ihre Aggression gegen zwei Männer und eine Frau. Einer der Angegriffenen liegt rücklings auf dem Fußweg, während sein Peiniger über ihm steht.
Ohne Zögern bittet der Zeuge seiner in der Wohnung befindlichen Freundin, die Polizei zu rufen, dann rennt er aus dem Haus – in einer kalten Winternacht bekleidet mit einem T-Shirt, Boxershorts und Badelatschen; bewaffnet mit einem Softball-Schläger, der seit Einbrüchen in seine Wohnung an der Eingangstür steht. „Für einen Augenblick habe ich mich gefragt, ob ich gerade das Richtige mache“, sagte der Thüringer laut einem „Focus“-Bericht. Aber ihm war klar, dass er den Menschen da unten auf der Straße helfen musste. „Der Hilfeschrei ging durch Mark und Bein. Ich hatte keine Wahl. Ich musste dort runter.“
Er stürmt auf die Männer zu und schreit: „Was soll das hier? Hört auf damit! Lasst die Leute in Ruhe!“ Das arabische Trio schien überrascht. Der kleinste der Täter, der gerade noch über einem Opfer gestanden hatte, lässt ab. Die beiden Opfer und die Frau suchen Schutz in der Nähe des Zeugen. Die beiden Männer haben tiefe Schnittwunden im Gesicht. „Sie standen unter Stock. Ich habe sie angesprochen, aber es kam keine Reaktion“, erinnert sich Herr Werner.
Rückzug statt Kampf
In diesem Moment verwirft der Retter seinen Plan, notfalls mit den Tätern zu kämpfen. Es ist offensichtlich, wie brutal und gewalttätig sie sind. Der Überraschungseffekt scheint verflogen und das Trio beginnt zu schreien und geht in Richtung der Opfer. Es bleibt nur eine Lösung: Rückzug. Geistesgegenwärtig zieht der Thüringer die verwundeten Männer und ihre Begleiterin in den Hauseingang und schließt die schwere Holztür.
Schnell rennt der 36-Jährige nach oben in den dritten Stock und holt Handtücher, um die Wunden der Schwerverletzten abzudrücken. Dann bemerkt er die blauen Lichter vor der Haustür. Die Polizei ist da. „Ich bin sofort raus, habe gewunken und den Polizisten entgegengeschrien: Die Opfer sind hier“, schildert der Zeuge.
Und auch die Täter waren noch nicht weit, nur etwa 100 Meter entfernt. Die Polizei nimmt sie fest und ermittelt den Jüngsten als Haupttäter. Er ist kein Unbekannter bei der Polizei. Die beiden Opfer, ein 28-jähriger Ingenieur und sein 34-jähriger Freund werden mit dem Rettungswagen weggebracht. Sie müssen operiert werden.
Als Held sieht er sich nach dieser Aktion nicht. Er habe lediglich „den Schwachen geholfen“. Für ihn steht eines fest: „Die gehören hinter Schloss und Riegel“, findet er. „So darf man sich nicht verhalten. Egal, ob man hier geboren wurde oder nicht.“ Gleichzeitig ist ihm bewusst: „Man darf nicht alle Ausländer in einen Topf werfen.“ Das weiß er aus eigener Erfahrung.
Er habe einmal mit einem Lehrling aus Syrien in einem Restaurant gearbeitet, der genau wusste, was richtig und was falsch sei. Der Auszubildende habe sich an die deutschen Regeln gehalten. „Der ist ein guter Mensch. Für den würde ich meine Hand ins Feuer legen“, so das Fazit des Thüringers.
Handeln statt wegschauen
Es ist nicht üblich sein eigenes Leben für das anderer zu riskieren. Auf die Frage, warum er das gemacht habe, sagte er. „Weil ich so erzogen worden bin.“ Seine inzwischen verstorbene Großmutter habe früher immer gesagt: „Junge, wenn andere wegschauen, darfst du dich nicht wegducken.“
Ihm war klar, wenn etwas Schlimmes passiert und er nicht eingreift, hätte er sich das niemals verzeihen können. Erst später erfuhr er, dass viele Leute von ihren Fenstern aus das Geschehen beobachtet hatten. Geholfen hat aber niemand – außer ihm.
Für sein beherztes Eingreifen und den Mut gab es viel Dankbarkeit – aus der Nachbarschaft, den Opfern und deren Familien. Auch die Polizei habe sich bei ihm gemeldet, aber nur wegen der Zeugenaussage.
In den Medien erfährt man von dem Vorfall am 9. Februar 2020 nach der Tat nichts. Dort drehte sich alles um den Rücktritt von FDP-Politiker Thomas Kemmerich nach seiner Wahl als Thüringens Ministerpräsidenten.
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