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Alles scheint zu Ende zu gehen

Herbst – von Theodor Däubler

Aus der Reihe Epoch Times Poesie – Däubler wuchs zweisprachig im damals österreichischen Triest auf. Er lebte in Paris, der Schweiz, Griechenland und ab 1927 mit ständigem Wohnsitz in Berlin. Weiterhin pendelte er zwischen Deutschland, Italien, Griechenland und Österreich. Sein Freund Ernst Barlach nannte ihn den „ungestüme[n] Wanderpoet[n]“.

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Lesedauer: 1 Min.

Herbst

Der erste Schnee liegt leuchtend auf den Bergen,
Die schwarzen Vögel wuchten funkelnd auf,
Die Welt wird ihren Schmerz nicht mehr verbergen.
Das Dasein silbert hin im Sterbenslauf.
Die Jäger knallen, was noch atmet, nieder.
Das tote Jahr vermacht uns einen Rausch,
Wir Menschen hoffen sinnlos immer wieder,
Der Wein umnebelt uns beim schlechten Tausch.
Der reife Herbst beginnt die Trauben zu durchblauen,
Der Wind verwebt in Wipfeln Licht und Liebe,
Die guten Blumen, die verwundert aufwärtsschauen,
Erzählen unsern Wunsch: wenn alles traumhaft bliebe!
Gib mir die Hand, Geduld, Geduld, wir werden warten.
Bemerkst du nicht, wie Blatt auf Blatt vom Himmel fällt?
Bestärke unsern Händedruck im Laubengarten:
Wir wollen warten, wenn Geduld uns fromm erhält.
Geduld, Geduld, wir halten dich mit weißen Händen.
Verwelkt und rot zerblättert das Kastanienlaub.
So warten wir, es steigt ein Stern aus Blätterwänden.
Der Wind ist weg, die Bäume werden taub.
 
Theodor Däubler (1876-1934)

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