Polarwirbel sorgt für Kälte und Schnee in den nächsten Wochen
Eine plötzliche Erwärmung der Stratosphäre kann zu extrem kaltem Wetter über Nordamerika, Sibirien und Europa führen – laut britischen Forschern passiert genau dies derzeit über dem Nordpol. Das könne in den nächsten Wochen ein erhöhtes Schneerisiko mit sich bringen.
Verschiedene Wettermodelle deuteten auf ein plötzliches stratosphärisches Erwärmungsereignis (sudden stratosphere warming, SSW) am 5. Januar hin. Hoch über dem Nordpol spiele sich derzeit ab, was Forscher der Universitäten Bristol, Exeter und Bath als “dramatisches meteorologisches Ereignis” bezeichnen. Ein sich spaltender Polarwirbel könne das Winterwetter der nächsten Tage und Wochen stark beeinflussen.
Was ein SSW bewirken kann, verdeutlicht ein Blick in die Wetterarchive. Das “Beast from the East” bescherte im Frühjahr 2018 weiten Teilen der USA Meter hohen Schnee, während Europa über Wochen bei Temperaturen um minus 20 Grad Celsius fröstelte.
Heiße Atmosphäre, eiskaltes Winterwetter
Die Stratosphäre ist die Schicht der Atmosphäre etwa 10-50 km über der Erdoberfläche. SSW-Ereignisse gehören zu den extremsten atmosphärischen Phänomenen. Sie können die Temperatur in der Stratosphäre innerhalb weniger Tage um bis zu 50° C ansteigen lassen.
Das stratosphärische potenzielle Wirbelfeld am 10. Februar 2018 wobei der stratosphärische Polarwirbel sich kurz vor der Aufspaltung befindet. Auf die Abschwächung des Wirbels folgte etwa zwei Wochen später ein starker Kaltluftausbruch über Europa, der als “Beast from the East” bekannt ist.
Foto: University of Bristol
Die Störung in der Stratosphäre kann sich in tiefere Schichten übertragen. Wenn sich dies bis zur Erdoberfläche fortsetzt, kann es zu einer Verschiebung des Jetstreams kommen.
Am Boden äußert sich das Phänomen in sehr kaltem Wetter sowie teils heftigen Schneestürmen. Ungewiss ist der Zeitpunkt: Laut den Autoren kann es wenige Tage bis mehrere Wochen dauern, bis die Wirkung die Oberfläche erreicht.
Extreme Kälte und Schnee in den nächsten Wochen
Die im “Journal of Geophysical Research” veröffentlichte Studie umfasst die Analyse von 40 SSW-Ereignissen der letzten 60 Jahre. Ausgehend davon entwickelten die Forscher eine Methode, um das Signal einer SSW von ihrem Beginn in der Stratosphäre bis zur Oberfläche zu verfolgen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sogenannte Split-Ereignisse – wie sie 2018 zum “Biest aus dem Osten” geführt haben – tendenziell mit kälterem Wetter über Nordwesteuropa und Sibirien verbunden sind. Hauptautor Dr. Richard Hall von der Universität Bristol schlussfolgert, dass es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für extreme Kälte und möglicherweise Schnee in den nächsten ein bis zwei Wochen gibt.
„Während ein extrem kaltes Wetterereignis keine Gewissheit ist, haben etwa zwei Drittel der SSWs einen signifikanten Einfluss auf das Oberflächenwetter. Darüber hinaus ist das heutige SSW potenziell die gefährlichste Art, bei der sich der Polarwirbel in zwei kleinere ‘Kind’-Wirbel aufspaltet.”
Forschungskollege und Atmosphärenwissenschaftler Prof. Dann Mitchell ergänzte:
„Das extrem kalte Wetter, das diese Polarwirbelzusammenbrüche mit sich bringen, ist eine deutliche Erinnerung daran, wie plötzlich unser Wetter umschlagen kann. Selbst mit dem Klimawandel […] werden diese Ereignisse immer noch auftreten. [Und] wir uns an einen immer extremeren Temperaturbereich anpassen müssen.”
Irgendwie, irgendwann, aber auf jeden Fall kalt
Ihre Studie, so die Autoren, quantifiziere zum ersten Mal die Wahrscheinlichkeiten, “wann wir nach einem plötzlichen stratosphärischen Erwärmungsereignis (SSW) extremes Oberflächenwetter erwarten können”. Dabei variieren Wetterextreme stark, sowohl in der Zeit bis zum Auftreten als auch in ihren Ausprägungen. Um die Mechanismen vollständig zu verstehen, seien jedoch weitere Forschungen nötig.
Laut Dr. William Seviour von der Universität Exeter sind die “Auswirkungen nach Ereignissen, bei denen sich der stratosphärische Polarwirbel in zwei Teile aufspaltet, schneller und stärker.” Und genau solch ein Ereignis finde momentan über dem Nordpol statt.