Auch Ex-Diktatoren wie Pinochet müssen sich vor Gericht verantworten
Die Aufhebung der Immunität Augusto Pinochets durch die höchste Gerichtsinstanz Chiles vor vier Monaten ermöglicht einen neuen Prozess, der von dem Richter Juan Guzman eröffnet wurde. Seit Jahren versuchen Juristen, Pinochet, den ehemaligen chilenischen Diktator, vor Gericht zu bringen. Doch bislang wurde kein Urteil gesprochen.
Guzman erklärte den 89-jährigen Pinochet, der seit Beginn des Prozesses unter Hausarrest steht, aufgrund einer ärztlichen Untersuchung für geistig verhandlungsfähig. Dabei betonte er, dass der Angeklagte bei seiner Vernehmung gezeigt hat, dass er „die Wirklichkeit wahrnimmt, seine Gedankengänge logisch sowie in sich schlüssig sind, er sich zeitlich und räumlich orientieren kann, zu logischem Denken fähig ist und auf Fragen direkt antwortet”.
Pinochet wird angeklagt wegen seiner Beteiligung an der Tötung lateinamerikanischer Oppositioneller durch die „Operation Condor“. Er regierte Chile nach einem Militärputsch von 1973 bis 1990. Während seiner Diktatur wurden rund 3000 Menschen ermordet oder verschwanden in Polizei- oder Militärgewahrsam.
Die Verbrechen der „Operation Condor“ sind ein dunkles Kapitel der Militärdiktatur im Lateinamerika der 1970er und 80er Jahre. Der Begriff war Deckname für eine enge Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste von sechs lateinamerikanischen Ländern – Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien – bei der Verfolgung von linken politischen und oppositionellen Kräften weltweit.
Nach dem bisherigen Kenntnisstand beschlossen die Vertreter der sechs Staaten im November 1975 die grenzübergreifende Zusammenarbeit. Demnach kooperierten die Länder beim Informationsaustausch sowie der Verfolgung und Ermordung von Staatsgegnern in den Nachbarstaaten sowie im übrigen Ausland. Auch wurde eine gemeinsame Informationszentrale im Hauptquartier der chilenischen Geheimpolizei, der DINA, eingerichtet.
In Chile geht man jetzt immer mehr auf Abstand zu Pinochet. Weder die Arme noch die konservative Opposition, welche die Reste der politischen Erbschaft Pinochets verwaltet, haben die Stimme für ihren einstigen Führer erhoben. Die derzeitige Militärführung hüllt sich in Schweigen, und abgesehen von einigen rechten Abgeordneten fand die Nachricht von der Anklage insgesamt kaum politische Beachtung.
Chiles Präsident Ricardo Lagos kündigte immerhin kürzlich Entschädigungszahlungen an für mindestens 28.000 Opfer des früheren Diktators Augusto Pinochet. Bis zu umgerechnet 140 Euro sollen die illegal inhaftierten und gefolterten Opfer als lebenslange Rente erhalten. Wenig genug nach etwa 30 Jahren. Weiterhin sind Beihilfen für Bildung, Wohnen und Gesundheit für die Opfer und deren Angehörige geplant. Seine Entscheidung gab Präsident Lagos zusammen mit dem ausführlichen Bericht der Nationalen Kommission über die Menschenrechtsverletzungen während der Pinochet-Diktatur bekannt. Der Report enthält die Aussagen von 35.000 Menschen, die zwischen 1973 und 1990 von Folter und politischer Gefangenschaft betroffen waren. 28.000 Aussagen wurden nach Angaben von Lagos als wahr anerkannt.
Details über einzelne Fälle nannte Lagos nicht, sie seien zu „schockierend“. „Wie kann man solch einen Horror erklären? Ich habe keine Antwort darauf“, sagte Lagos.
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