Alarmierende Zahlen
China: Explosionsartige Steigerung bei Kaiserschnitt-Geburten

Der Anteil der chinesischen Mütter, die sich für einen Kaiserschnitt entscheiden, nähert sich in den Städten der Zweidrittel-Marke, wie neueste Zahlen der Weltgesundheitsorganisation für das Land belegen.
Foto: STR/AFP/Getty Images
In China werden immer mehr Kaiserschnittgeburten (C-Sektionen) durchgeführt. Die Zahlen sprechen Bände. Doch einige ihrer schwerwiegenden Folgen sollten nicht nur chinesische Frauen dazu veranlassen sich die Anwendung dieses Verfahrens zweimal zu überlegen. Heute hat China eine der höchsten Raten von C-Sektionen in der Welt, die im Jahr 2007 schon auf 46 Prozent geschätzt wurden.
Diese Technik wurde schon in alten Zeiten in mehreren Fällen angewendet. Luzhong, ein Nachkomme des Gelben Kaisers in sechster Generation, hatte sechs Söhne, die alle durch „Aufschneiden des Körpers“ zur Welt kamen. Jilian, der sechste Sohn, begründete die Herrschaft der Mi des Staates Chu.
Die Ansicht, dass eine Frau das Recht hat, Entscheidungen über ihren Körper und ihre Gesundheit zu treffen hat, führte dazu, dass viele von ihnen diese Geburtsmethode wählten. Immer mehr Frauen auf der ganzen Welt entschließen sich mittlerweile für einen Kaiserschnitt.
WHO sieht gesundheitliche Risiken
In dieser Hinsicht ist CDMR (Cesarean delivery on maternal request – ein Kaiserschnitt auf mütterlichen Wunsch) eine Bewegung, die sich vermutlich von Brasilien aus, einem der Länder mit der höchsten Zahl von Kaiserschnittgeburten, entwickelt hat. Die Anwendung dieses Verfahrens birgt jedoch einige gesundheitliche Risiken, warnt die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO), die keine Vorteile in der Verlagerung von vaginalen Geburten zu Kaiserschnittgeburten erkennen kann.
In einer Umfrage in neun asiatischen Ländern fand die WHO heraus, dass unnötige Kaiserschnitte teurer als natürliche Geburten sind und das Risiko von Komplikationen für die Mutter erhöhen. Viele Experten bestehen immer noch darauf, dass die natürliche Geburt der ideale Weg ist. Dr. A. Metin Gulmezoglu, Co-Autor dieses Asien-Berichts, sagte: „Die relative Sicherheit der Operation lässt die Menschen glauben, sie sei so sicher wie die vaginale Geburt, doch dies ist unwahrscheinlich.“
Die WHO, die fast 100.000 Geburten in Asien in den Jahren 2007-2008 untersuchte, stellte fest, dass 27 Prozent durch Kaiserschnitt durchgeführt wurden, offenbar auf Wunsch der Mütter und der Krankenhäuser, die größere Gewinne erzielen wollten. Etwas höhere Ergebnisse ergaben sich laut einer von der WHO im Jahr 2005 in Lateinamerika durchgeführten Studie, der zufolge 35 Prozent der befragten Frauen ihre Babys per Kaiserschnitt entbunden haben. In Europa gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern: Während die Kaiserschnitt-Rate in Italien bei 40 Prozent liegt, beträgt sie in den nordischen Ländern nur 14 Prozent. [Anm. der Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2010 gab es in Deutschland 209.441 Kaiserschnittentbindungen, das entspricht 31,9 Prozent aller 656.390 Entbindungen im Krankenhaus.]
Es gibt mehrere Gründe, warum Frauen in Asien ihre Babys lieber durch Kaiserschnitt zur Welt bringen. Viele Frauen fürchten die Schmerzen der natürlichen Geburt oder befürchten, dass ihre Vagina durch eine normale Entbindung gedehnt oder verletzt werden könnte. Andere hingegen glauben, dass dieses Verfahren für die Mutter weniger riskant ist. Manche Frauen entscheiden sich auch erst nach der Beratung mit einem Wahrsager über „glückliche“ Geburtstage oder über die Tageszeit, wann welches Verfahren angewendet wird.
Geldgier bei Krankenhäusern wichtiger Faktor
Viele Experten in Lateinamerika warnten schon vor dem Missbrauch des Kaiserschnitts vor allem in Ländern wie Brasilien, wo er ein extrem hohes Niveau erreicht hat. Viele werdende Mütter in Lateinamerika stellen sogar einen Zeitplan für ihre Operation auf, um eine Geburt an besonderen Feiertagen zu vermeiden und in einigen Fällen sogar, um an Parties teilnehmen zu können.
Auch das Streben der Krankenhäuser nach finanziellem Gewinn kann ein Grund für den Missbrauch des Kaiserschnitts sein. In den größeren Städten Chinas zum Beispiel kann ein Kaiserschnitt bis zu zweimal soviel wie eine natürliche Geburt kosten. Der WHO-Studie zufolge berichteten 62 Prozent der in Asien befragten Krankenhäuser, dass sie ein finanzielles Interesse an der Durchführung von Kaiserschnittgeburten hätten.
In China hat der Missbrauch von Kaiserschnittgeburten zu einigen speziellen Problemen im Zusammenhang mit dem System der Gesundheitsversorgung geführt. So gibt es deshalb einen erhöhten Bedarf an Krankenhausbetten, Anästhesisten, OP- und Labor- sowie Bluttransfusionseinrichtungen. Dies führt zur Benachteiligung schwererer Fälle, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Darüber hinaus ergab eine Studie für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei Frauen, die mehrere Kaiserschnitten durchführen ließen, eine höhere Wahrscheinlichkeit für Probleme mit späteren Schwangerschaften.
Ein-Kind-Politik als treibender Faktor für Kaiserschnitt-Zuwachsraten?
Nach Ansicht einiger Experten könnte die Einführung der Ein-Kind-Politik im Jahr 1979 indirekt zum verstärkten Einsatz dieser Technik beigetragen haben. Sie behaupten, dass das Risiko bei weniger wiederholten Kaiserschnitten geringer sei und dass deshalb Eltern, die nur ein Kind haben möchten, die ihrer Meinung nach sicherste Methode wählten. Allerdings ist sehr wenig über die Sicherheit des Kaiserschnitts in China bekannt, obwohl diese Informationen vielfach benötigt werden.
Weitere Studien über die Gründe für Kaiserschnittgeburten von Frauen in China sind jetzt erforderlich. Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Mutter und des Kindes, die Förderung der Hebammen-geführten Mutterschaft sowie die Methoden, die eine natürliche Geburt bevorzugen, müssten analysiert werden.
Dr. Cesar Chelala ist ein international anerkannter Ratgeber für öffentliche Gesundheit und Autor von Die Gesundheit der Mütter: Die ständige Herausforderung. Er ist auch Mitgewinner eines Overseas Press Club of America-Preises.
Qriginal auf Englisch: Chinese Women Should Return to the Natural Birth Model
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