Klartext zum IS-Völkermord: „Behindern mächtige Staaten die Aufklärung?“ – Amal Clooney fragt UN
Warum will niemand den IS vor Gericht bringen? In einer Rede vor UN-Vertretern stellte Menschenrechtsanwältin Amal Clooney einige unbequeme Fragen.

Menschenrechtsanwältin Amal Clooney bei ihrer UN-Rede am 9. März in New York.
Foto: KENA BETANCUR/AFP/Getty Images
Hier ihre Rede in Auszügen.
“Vor sechs Monaten bin ich hierher gekommen, um über die Notwendigkeit zu sprechen, ISIS für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich sprach mit Ihnen als Anwältin einer Gruppe von IS-Opfern, darunter auch Nadia Murad, die als 21-jähriges Mädchen von IS-Milizen im Irak versklavt und vergewaltigt wurde. Meine Botschaft an Sie war, dass ISIS eine globale Bedrohung ist, die eine globale Antwort erfordert. Und dass die Antwort nicht auf das Schlachtfeld beschränkt sein sollte. Die UN sollte die Verbrechen von ISIS untersuchen und sicherstellen, dass die Verantwortlichen vor Gericht kommen.
In den vergangenen Monaten habe ich irakische, EU- und UN-Beamte und Mitgliedern des Sicherheitsrates getroffen, einschließlich der russischen und US-Botschafter, um diese Initiative zu erörtern. Sie alle unterstützten die Idee einer UN-Ermittlung, die vom Sicherheitsrat gemeinsam mit dem Irak durchgeführt werden KÖNNTE. Großbritannien übernahm eine bewundernswerte Führungsrolle und entwarf eine Kurzresolution, um dies zu verwirklichen. Der Entwurf wurde dem Irak schon vor vielen Monaten vorgestellt und der Irak hat seither wiederholt und öffentlich seine Unterstützung für die Initiative zum Ausdruck gebracht. (…)
Ein simpler Brief würde genügen
Warum wurde nichts getan?
Warum wurde nichts getan? Könnte es sein, dass diese Verbrechen nicht ernsthaft genug sind, um eine internationale Ermittlung zu beauftragen? Nein. ISIS ist heute die brutalste Terrorgruppe der Welt und stellt laut Sicherheitsrat eine „beispiellose Bedrohung” des internationalen Friedens und der Sicherheit dar.
Und ISIS hat klar gemacht, dass es Jesiden, wie Nadia, ganz auslöschen will: durch Tötungen, Zwangskonvertierung und Vergewaltigung. Die UN ist zu dem Schluss gekommen, dass ISIS Völkermord an dieser Gruppe begeht, und es kann kein ernsthafteres Verbrechen geben.(…)
Wer schützt den IS?
Stehen hier politische Interessen mächtiger Staaten einer Aufklärung im Weg?
(…)…wir haben es hier mit dem IS zu tun. Niemand behauptet, ihn zu respektieren oder zu beschützen. Kein Veto-Mitglied des Rates ist auf seiner Seite. Und doch sind wir der Gerechtigkeit nicht näher, als letztes Jahr.
Opfer wollen Gerechtigkeit
Gerechtigkeit ist auch das, was die Opfer wollen – fragen Sie die Familien der amerikanischen Geiseln Jim Foley und Steven Sotloff, die vom IS-Kämpfer alias Jihadi John, enthauptet wurden. Als Jihadi John laut Berichten in Syrien durch einen Drohnenangriff starb, sagten die Familien der Geiseln, sie hätten es vorgezogen, wenn er stattdessen verhaftet worden wäre. Stevens Familie sagte, sie wollten mit ihm „in einem Gerichtssaal sitzen, sehen wie er verurteilt wird und ins Gefängnis kommt”. Jesidische Frauen wie Nadia sagen das gleiche: Sie wollen ihre Peiniger vor Gericht wiedersehen. Sie wollen, dass es öffentliche Richtersprüche gibt, damit dieser Völkermord nicht eines Tages geleugnet werden kann. Und sie verdienen nicht weniger als das. Aber Gerechtigkeit wird für immer verloren sein, wenn wir zulassen, dass die Beweise verschwinden: Wenn Massengräber nicht geschützt werden, wenn medizinische Beweise verloren gehen, wenn Zeugen nicht mehr aufgefunden werden können.(…)
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