Supermarkt der Zukunft
Aldi Nord: Kassenloser Test-Laden in den Niederlanden lockt keinen Kunden an
Die Regale sind voll. Doch von der Kundschaft keine Spur. Das neue Supermarktkonzept von Aldi Nord läuft ins Leere.

Kassenloser Aldi-Supermarkt in Utrecht am 20. Juli 2022.
Foto: SEM VAN DER WAL/ANP/AFP via Getty Images
Aldi Nord testet im niederländischen Utrecht den Supermarkt der Zukunft: Kunden nehmen die gewünschten Produkte aus dem Regal und verlassen das Geschäft. Keine Kassen, keine Warteschlangen. Dafür Hunderte Kameras und Sensoren, die jeden Schritt und Tritt aufzeichnen. Die Rechnung kommt einige Minuten nach Verlassen des Geschäfts ganz automatisch per App. So viel zur Theorie. In der Praxis scheitern die allermeisten Kunden bereits am Eingang.
Seit der Eröffnung am 8. Juli 2022 verirrt sich kaum ein Kunde in den kassenlosen Supermarkt – trotz bester Lage in der Shopping-Straße „Lange Vierstaat“. Der Grund: Für den Einkauf braucht man die entsprechende App, die allerdings nur mit einer Kreditkarte als Zahlungsmittel funktioniert.
Geduldsprobe für Kunden
Wie „Welt“ berichtet, besitzen nur rund die Hälfte der Niederländer eine Kreditkarte. Diese komme in der Regel auch nur für Onlinebuchungen wie Flüge zum Einsatz. Im Alltag nutzen die meisten Menschen für das bargeldlose Bezahlen das Bankkarten-System „PIN“.
„Das ist sehr peinlich. Was Aldi hier knallhart lernt, ist, dass ein großer Teil der Leute keine Kreditkarte hat und das alles viel zu kompliziert findet. Oder dem Konzept gar nicht erst vertraut“, sagte der niederländische Marketing-Experte Paul Moers dem Utrechter Fernsehsender RTV.
Doch das ist nicht der einzige Haken. Kunden, die die Geduldsprobe beim Registrieren am Eingang überstanden hatten und endlich zum Einkaufen kamen, meldeten weitere Mängel am System. Die automatisch erstellte Rechnung würde erst nach einiger Zeit nach dem Einkauf kommen. So konnte man nicht unmittelbar kontrollieren, ob alles richtig abgerechnet wurde.
Einige Nutzer beanstandeten, dass bei ihnen falsche Artikel zugeordnet wurden, berichtet das Fachmagazin „Inside Digital“. Diese konnten einige Nutzer problemlos stornieren. In anderen Fällen hätten Systemabstürze die Rückgabe erschwert. Außerdem schließt die Filiale bereits um 18 Uhr, Stunden vor anderen Geschäften. Auch die permanente Überwachung schreckt potenzielle Käufer ab.
„Niemand kauft irgendetwas“
Aufgrund der fehlenden Kundschaft kursieren in den sozialen Netzwerken Spekulationen, was mit den Produkten passiert. „Ich denke, dass sie alle paar Wochen die komplette Ware in den Müll werfen müssen, denn ich habe buchstäblich noch nie jemanden dort einkaufen sehen“, zitierte „Welt“ eine lokale Google-Maps-Nutzerin.
Philip Boontje, Gründer des Utrechter Daten-Start-ups MAXQ Analytics, gestattete dem „Supermarkt der Zukunft“ einen Besuch ab. Die Regale waren voll, aber weit und breit kein Kunde. „Es ist absolut niemand in dem ganzen Laden. Niemand kauft irgendetwas. Sie schmeißen das gesamte Obst und Gemüse weg – oder verschenken es.“ Allein die Registrierung hätte ihn zehn Minuten gekostet – eine „verrückte Nutzer-Erfahrung“, sagte Boontje in einem Video, das er auf Twitter veröffentlichte.
Kassenloser Supermarkt in München
Aldi gestand gegenüber „Welt“, dass das Projekt sich noch in einem frühen Teststadium befinde. Die Technologie in ihrer jetzigen Form richte sich vor allem an technisch versierte Kunden, so ein Sprecher. Man wolle künftig mehr Zahlungsmöglichkeiten anbieten und über die Probleme beim Eingang beraten.
Und dennoch: Es gebe auch zufriedene Kunden, die vor allem den Zeitsparfaktor schätzen.
Das Konzept von kassenlosen Supermärkten wird inzwischen auch in Deutschland erprobt. Der Lebensmitteleinzelhändler Rewe hat im Dezember 2022 in München einen Pick & Go Markt eröffnet, ganz ohne Kassen. Gewichtssensoren und 400 Spezialkameras rechnen den Einkauf ganz automatisch ab. Wer kein Handy oder keine digitale Zahlungsmöglichkeit hat, muss draußen bleiben.
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