Deutschland gewährt einigen pro-demokratischen Aktivisten aus Hongkong den Flüchtlingsstatus. Einige flüchteten nach oder kurz vor dem Inkrafttreten des Nationalen Sicherheitsgesetzes, das Peking für Hongkong erlassen hat. Kritiker weisen darauf hin, dass das neue Gesetz die Freiheiten untergräbt, die der ehemaligen britischen Kolonie bei der Rückkehr zur chinesischen Herrschaft 1997 versprochen wurden.
“Ich habe mich entschieden, aus Hongkong zu fliehen, weil ich wusste, dass ich keinen fairen Prozess bekommen würde”, sagte ein ehemaliger Demonstrant, der aus Sicherheitsgründen nicht identifiziert werden wollte, gegenüber Reuters telefonisch von einem unbekannten Ort in Deutschland aus. “Ich bin der deutschen Regierung dankbar.”
Eine 22-jährige Universitätsstudentin hat ein Schreiben, datiert am 14. Oktober, des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten, das ihren Flüchtlingsstatus bestätigt:
„Es fühlte sich surreal an, und ich war sehr erschüttert, dass ich Hongkong so verlassen musste – da ich wusste, dass ich vielleicht nie zurückkehren würde.”
Die Aktivistin war bei einem Protest im vergangenen November verhaftet worden. Einige Tage später floh sie über Taiwan nach Deutschland, ohne ihre Familie zu informieren. Das BAMF und das deutsche Konsulat in Hongkong reagierten nicht sofort auf die Bitte von Reuters um Stellungnahme zu dem Fall.
Fluchthelfer festgenommen
Anfang Oktober wurden in Hongkong neun Menschen festgenommen, weil sie Demokratie-Aktivisten bei einem Fluchtversuch nach Taiwan geholfen hatten. Die Verdächtigen seien wegen „Unterstützung von Straftätern“ in Gewahrsam, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Sie hätten das Fluchtboot, die finanziellen Mittel sowie den Transport zum Pier organisiert.
Die chinesische Küstenwache hatte bereits Ende August ein Schnellboot abgefangen, das zwölf Demokratie-Aktivisten nach Taiwan bringen sollte. Taiwan bietet Menschen Zuflucht, die vor dem wachsenden Einfluss von Peking auf Hongkong fliehen.
Über 10.000 Verhaftungen in Hongkong
Die Behörden in Hongkong haben mehr als 10.000 Menschen im Zusammenhang mit der pro-demokratischen Protestbewegung verhaftet.
Zwei prominente Hongkong-Aktivisten, Ray Wong und Alan Li, erhielten 2018 von Berlin politisches Asyl. Die Gruppe “Haven Assistance”, an deren Leitung Wong beteiligt ist, fordert Berlin auf, seine Asylpolitik gegenüber Hongkong zu verbessern und auszuweiten. Wong wurde insgesamt für drei Jahre Flüchtlingsstatus gewährt.
Einige westliche Regierungen, darunter Großbritannien und Kanada bieten politischen Flüchtlingen aus Hongkong bereits die Staatsbürgerschaft an. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson kündigte als Reaktion auf das Sicherheitsgesetz eine Lockerung der Einwanderungsgesetze für die Bewohner Hongkongs an.
Der Premier bezeichnete das Sicherheitsgesetz als „ernsthaften Verstoß“ gegen den britisch-chinesischen Vertrag zur Übergabe der ehemaligen Kronkolonie an die Volksrepublik im Jahr 1997.
Der bekannte Hongkonger Demokratie-Aktivist Nathan Law flüchtete nach Großbritannien. Er halte sich in London auf, schrieb Law an seinem 27. Geburtstag auf Facebook. Um Risiken zu vermeiden, habe er bisher seinen Aufenthaltsort geheim gehalten. Anfang Juli hatte Law zwei Tage nach Inkrafttreten des umstrittenen chinesischen Sicherheitsgesetzes für Hongkong die Finanzmetropole an der Südküste Chinas verlassen.
„In diesem fremden Land habe ich begonnen, für das Leben zu planen, das vor mir liegt“, schrieb Law in seinem Facebook-Eintrag. „Es bleiben noch so viele Ungewissheiten.“
Lebenslange Haft für Verstöße gegen Pekings Sicherheitsgesetz
Seit der Einführung des Sicherheitsgesetzes von Peking in Hongkong Ende Juni haben die Hongkonger Sicherheitsbehörden ihr Vorgehen gegen die Demokratiebewegung massiv verschärft. Das international scharf kritisierte Gesetz erlaubt den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit bedrohen. Verstöße können mit lebenslanger Haft geahndet werden.
Das Gesetz stellt den bislang schwersten Eingriff in den Autonomiestatus von Hongkong dar. Der früheren britischen Kronkolonie waren bei ihrer Übergabe an China 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit. (reuters/afp/dts/ks)