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Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen – Experten diskutieren über “Corona-Impf-Experiment” an Risikogruppen

Langersehnt und doch gefürchtet; am neuen COVID-19-Impfstoff scheiden sich die Gemüter. In einer BR-Talkrunde befürwortete Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, andere Schutzmaßnahmen für vulnerable Gruppen als eine Impfung, und Bayerns Innenminister stellt klar: Auch nach der Impfung werden Maskenpflicht und Abstandsgebot weiterhin gelten.

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Gerade für Risikogruppen soll ein Corona-Impfstoff Hoffnung bringen. Experten sehen das kritisch.

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Lesedauer: 8 Min.

Am 2. Dezember diskutierten Experten in der „Münchner Runde“ im „BR“ über die Corona-Impfung. Der Epidemiologe und Virologe Professor Klaus Stöhr, ehemaliger Leiter des Global-Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sagt: „Es ist bei allen Medikamenten so, nicht nur bei Impfstoffen, dass – wenn sie zugelassen werden – die Daten vorliegen für die präklinischen und die klinischen Studien. Da gibt es keine Daten für die langfristigen möglichen Nebenwirkungen.“
Wenn man diese herausfinden wolle, brauche man ein bisschen mehr Zeit. „Das sind dann sehr seltene Nebenwirkungen. Einer in 10.000 hat dann vielleicht so eine seltene Nebenwirkung.“
Der Kinder- und Jugendarzt Dr. Stefan Schmidt-Troschke, Vorstand der Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V., kritisiert, dass man momentan gar keine aussagekräftigen Daten habe. Alles, worauf man sich berufen könne, seien Pressemitteilungen. Wenn es aber darum gehe, seinen Patienten „etwas zu verimpfen, was unter Umständen langfristige Konsequenzen hat“, reiche ihm eine Pressemitteilung nicht aus.
„Ich möchte hier kein Spielverderber sein, um das mal ganz deutlich zu machen“, erklärt der Mediziner. „Wir brauchen sicherlich nichts dringlicher als einen Impfstoff, aber der muss schon gut untersucht sein.“ Schließlich gehe es um eine ganze neue Art von Impfung, nämlich um mRNA-Impfstoffe, die primär beim Menschen eingesetzt werden.
Auch deshalb sei Schmidt-Troschke der Auffassung, „dass wir im Grunde genommen den Leuten sehr klar sagen sollen, dass sie sich an einem Experiment beteiligen.“ Er habe auch gar nichts dagegen, wenn sich Menschen an einem solchen Experiment beteiligen, „aber sie sollten das genau wissen, dass sie das tun und dafür unterschreiben“.

Nebenwirkungen nach Zulassung nicht ausgeschlossen – im Gegenteil

Dass man Vertrauen in den Corona-Impfstoff haben kann, bezweifelt auch Wissenschaftsjournalistin und Diplom-Biologin Cornelia Stolze. Sie sei nicht wie der Virologe Stöhr der Meinung, dass „alles, was durch die Behörden genehmigt ist, auch wirklich so sicher ist“, gibt sie zu bedenken. Häufig habe sich schon herausgestellt, dass im Nachhinein doch mehr Nebenwirkungen auftreten, die allerdings nicht so schnell bekannt und erfasst würden, dann aber doch der Stoff zurückgezogen würde.
Stöhr hält dem entgegen, dass auch das für die Zulassung zuständige Paul-Ehrlich-Institut darauf verweise, dass bei einer Zulassung für Impfstoffe noch nicht „das gesamte Paket an Sicherheitsinformationen“ vorliegt. Diese Daten müssten erst nach der Anwendung gesammelt werden. „Wenn diese Daten dann vorliegen, kann es auch sein, dass ein Impfstoff zurückgezogen wird.“ Das sei nichts Besonderes.

Immunität unerforscht

Der Kinder- und Jugendarzt Schmidt-Troschke wirft ein: „Immunität besteht nicht nur aus Antikörpern.“ Was man bei den neuen Impfstoffen nicht wisse, ist, ob es zu einer sogenannten sterilen Immunität komme. Damit könnten tatsächlich Infektionsketten unterbrochen werden. Die wesentliche Frage sei: Kann man, wenn man geimpft ist, sich noch mit Corona infizieren, vielleicht nicht klinisch erkranken, aber die Erkrankung weitergeben? „Das ist die für die Bevölkerung relevante Frage.“ Diese Frage werde momentan aber nicht beantwortet.
Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann stellt klar, dass die Unterbrechung von Infektionsketten „zweifellos ein wichtiges und zu wünschendes Ziel“ sei. Wenn er aber in Bayern die bislang über 3.000 „Corona-Toten“ seit Februar betrachte, von denen etwa zwei Drittel über 80 Jahre alt waren, gehe es bei einer Impfung allerdings auch darum, den Tod von Menschen abzuwenden. Wenn man jemanden vor dem Tod bewahren könne, sei das schon einmal „eine ganze Menge“.

Freiwillige Impfentscheidung statt Impfpflicht

Eine Barmer-Studie hat ergeben, dass sich in Bayern lediglich 46 Prozent impfen lassen wollen, erklärte der Moderator der Sendung und fragte den bayerischen Innenminister, ob in Bayern mit einer Impfpflicht zu rechnen sei. „Nein, definitiv, es wird keine Impfpflicht geben“, antwortete Herrmann.
Die Menschen müssten selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht. Er gehe jedoch davon aus, dass es in den ersten Wochen und Monaten genügend Interessenten gäbe, die sich impfen lassen würden. Zuerst gehe es ohnehin darum um die vulnerablen Gruppen, also die alten Menschen mit Risikoerkrankungen, zu impfen.
Nach Wahrnehmung der Diplom-Biologin Cornelia Stolze wollen die jüngeren Menschen lieber abwarten anstatt „Versuchskaninchen“ zu spielen. Sie sieht es kritisch, dass nun besonders alte, kranke Menschen in Pflegeheimen geimpft werden sollen.
„Diese Menschen sind aber sozusagen auch besonders gefährdet durch einen Impfstoff, den man noch gar nicht einschätzen kann“, erklärt sie. Denn der Impfstoff könne vielleicht Autoimmunerkrankungen oder heftige Immunreaktionen des Körpers auslösen. Insoweit befürchtet sie eine Art „Impfpflicht über die Hintertür“. Was passiere beispielsweise, wenn ein Heimbewohner oder deren Angehörigen einer Impfung nicht zustimmen oder auch das Personal sich nicht impfen lässt?
Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, teilt diese Sorge über die derzeitige Impfstrategie. Denn die vulnerablen Gruppen, die jetzt zuerst den Impfstoff erhalten sollen, seien gar keine Probanden in den Studien gewesen, erklärt sie.  „All das, was sie mitbringen an Vorerkrankungen und die alten Menschen waren ja Ausschlusskriterium, um an dieser Studie teilzunehmen.“
Gerade die Gruppe, die man jetzt vor Augen habe und die besonders schutzbedürftig sei, für die gebe es keine Daten von den Impfungen und die könnten vielleicht durch andere Maßnahmen viel besser geschützt werden, beispielsweise durch Schnelltests, die bei Besuchern in Pflegeheimen durchgeführt werden.

Maskenpflicht und Abstandsgebot auch nach Impfung

Gleichzeitig gibt die Medizinethikerin zu bedenken, dass geimpfte Menschen die Fragen stellen werden: „Warum soll ich noch einen Mundschutz tragen? Warum soll ich mich noch an Abstandsregeln halten?“ Insoweit sei ganz viel Aufklärungsarbeit angesagt, weil man nicht wisse, ob Geimpfte das Virus noch übertragen können.
Dass es mehr Freiheiten für Geimpfte gibt, darüber gibt es jedenfalls in Bayern „noch keine Regel“, erklärt Innenminister Herrmann. Bis auf Weiteres gilt die Masken- und auch die Abstandspflicht. Ob man für Geimpfte später davon absehen könne, müsse erstmal abgewartet werden. „Wir wollen nicht, dass jemand mit dem Sticker rumläuft ‚Ich bin geimpft‘.“ Das könne nicht die richtige Lösung sein. „Ich sage ganz klar: Im Moment ist nicht beabsichtigt, dass wir kurzfristig entsprechende Regeln verändern.“ Ohnehin müsste nach der ersten Impfung erst eine zweite folgen und dann müsse eine entsprechende Immunantwort abgewartet werden. Es werde nicht so sein, dass jemand, der sich impfen lässt, am nächsten Tag keine Maske mehr tragen müsse.
„Wir müssen vor allem eins sein: ehrlich“, betont Schmidt-Troschke, eine Zulassung sei eine Zulassung und keine Impfempfehlung.

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