Kommentar
Fußballfieber

(Inka Ehrbar)
Ich wohne in einem ruhigen ländlichen Dorf hoch über dem Zürichsee. Man könnte meinen, dass sich hier Fuchs und Hase „Gute Nacht” sagen, so still ist es am Abend. Doch damit ist es für die nächste Zeit vorbei.
Die letzten Wochen sehe ich nur noch rot … besser gesagt rot – weiß. Es fing schleichend in den Lebensmittelgeschäften an. Plötzlich lacht einen von irgendwelchen Getränken ein Fußballstar an, oder im Fernsehen steht ein anderer zwischen lauter Elektrogeräten und schmettert in den Äther: „Ich bin doch nicht blöd!”
Der Käse ist in Form von kleinen schwarz-weißen Bällen zu haben, in Waschpulverpaketen findet man die Nationalflagge und von einem Plakat lacht mir das Konterfei des Schweizer Nationaltrainers Köbi Kuhn entgegen.
Als Fußballmuffel, der ich zugegebener Massen bin, ließ mich das bisher alles kalt. Doch als mein Enkel anruft und mir erzählt, welche Fußballbildchen ihm noch von der Deutschen und der Schweizer Nationalmannschaft in seinem Album fehlen, bleibt mir fast die Luft weg. Der Zweitklässler rasselt gekonnt die Namen der Spieler herunter, von denen ich bis jetzt kaum gehört habe. Er erzählt mir, dass er eine Fahne geschenkt bekommen hat und nun dabei sei, seine Mutter zu überzeugen, dass die Nationalflagge unbedingt am Auto befestigt werden müsse.
Die Straße, die zu uns herauf führt, ist mit Fahnen geschmückt, und den Namen unseres Dorfes kennt inzwischen jedes Kind. Warum? Die Schweizer Fußballnationalmannschaft hat in unserem Dorf – im schönsten Hotel – ihr Quartier bezogen. Die Schulkinder -natürlich in rot-weiß- haben bei ihrem Einzug im Hotel Fähnchen schwingend Spalier gestanden und „hopp Schwiiz” gerufen. Für Presse und Fernsehen ist ein großes Zelt aufgebaut.
Die ganze Nation ist im Fußballfieber. Auch ich finde es inzwischen lustig, wenn die Kinder Panini-Bildchen sammeln und eifrig tauschen. Sport an sich und sportliche Begeisterung, so sage ich mir, sind eine gute Sache. Und sollte ich doch noch plötzlich meine patriotische Ader entdecken, werde ich eifrig mitfiebern, aber nur unter einer Bedingung, dass die Kühe des benachbarten Bauernhofes nicht aus lauter Nationalstolz rot-weiße Milch geben.
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