Marburger Bund
Umfrage: Ein Viertel der Klinik-Ärzte denkt über Berufswechsel nach
Überstunden, Stress, fehlende Anerkennung. Schon seit Jahren brodelt es in der Ärzteschaft. Eine aktuelle Umfrage des Marburger Bundes zeigt, dass 25 Prozent der Klinik-Ärzte ernsthaft darüber nachdenken, ihren Job an den Nagel zu hängen.

Ein Mediziner denkt über seine Zukunft nach. (Symbolbild).
Foto: iStock
In Deutschland erwägt knapp ein Viertel der angestellten Klinik-Ärzte einen Berufswechsel. Das geht aus dem MB-Monitor 2022 des Ärzteverbands Marburger Bund hervor. Hierzu wurden im Zeitraum 20. Mai bis 19. Juni 2022 bundesweit 8.464 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens befragt.
Den Medizinern machen hauptsächlich die hohe Anzahl von Überstunden, 24-Stunden-Dienste, der wirtschaftliche Druck seitens der Arbeitgeber und mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. Auf die Frage: „Erwägen Sie, Ihre ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben?“ antworteten 25 Prozent der Befragten mit „ja“, 57 Prozent mit „nein“ und 18 Prozent mit „weiß nicht“.
Die Ärzte kritisieren, dass durch administrative Tätigkeiten viel Zeit für die Patientenversorgung verloren gehen. Allein der Zeitaufwand für die Datenerfassung und Dokumentation liege bei durchschnittlich drei Stunden pro Tag, wobei diese Arbeiten häufig von Schreibdiensten oder im Stationssekretariat erledigt werden könnten.
„Wenn knapp 60 Prozent unserer Mitglieder sagen, sie würden drei Stunden und mehr ihrer Arbeitszeit mit Verwaltungstätigkeiten verbringen, können sie in dieser Zeit nicht für ihre Patienten da sein“, sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna, bei der Präsentation der Umfrage-Ergebnisse. „Ich halte es schlichtweg für einen Skandal, wie viel Arbeitskraft und Arbeitszeit mit Datenerfassung und Dokumentation vergeudet wird.“
Das habe negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung und auf die Arbeitszufriedenheit der Ärzte. „Wenn nur die Hälfte an Zeit für unsinnige und überflüssige Schreibarbeit eingespart werden könnte, hätten wir schon viel für die Patientenversorgung gewonnen. Entbürokratisierung muss endlich eine Priorität der Gesundheitspolitik werden“, so Johna.
Fehlende Soft- und Hardware erschweren Arbeit
Aus der Befragung geht auch hervor, dass in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens die Ausstattung mit Hard- und Software unzureichend ist. Das erschwert die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte zusätzlich. Die Hälfte der Befragten gab an, dass Mehrfacheingaben identischer Daten „gelegentlich“ vorkommen, bei rund einem Drittel (32 Prozent) ist das sogar „häufig“ der Fall, bei 18 Prozent „selten“.
„Dieselben Daten müssen wieder und wieder eingegeben werden, weil die Systeme nicht funktionieren“, schildert Johna. Bei der Anschaffung neuer Software werden Ärzte laut Umfrage nur in 20 Prozent miteinbezogen. Schulungen für IT-gestützte Abläufe gibt es kaum. So könne Digitalisierung nicht funktionieren, sagt Johna. Dabei sieht sie großes Potenzial, die Arbeit der Ärzte dadurch zu erleichtern.
Lange Arbeitszeiten und viele Überstunden
Scharf kritisierte die Vorsitzende des Marburger Bundes Arbeitgeber, die in den zurückliegenden zwei Jahren der Pandemie Arztstellen abgebaut haben. „Unsere Mitglieder berichten von hohen Wochenarbeitszeiten und vielen Überstunden. Wer in dieser Situation Stellen streicht oder nicht nachbesetzt, stellt den finanziellen Gewinn über das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Beschäftigten.“
Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten bejahte die Frage nach dem Stellenabbau in den vergangenen zwei Jahren. Insgesamt beurteilen zwei Drittel der Befragten die personelle Besetzung im ärztlichen Dienst ihrer Einrichtung als „eher schlecht“ (46 Prozent) oder „schlecht“ (20 Prozent).
Diese Unterbesetzung spiegelt sich auch in den geleisteten Wochenstunden wider. So arbeite jeder fünfte Arzt – einschließlich Teilzeitkräfte – mindestens 60 Stunden. Jeder zehnte unter ihnen gab an, durchschnittlich 80 oder mehr Stunden zu leisten.
Knapp 49 Prozent der Ärzte gab an, dass die Überstunden überwiegend als Freizeitausgleich erfolgen, bei 25 Prozent gab es überwiegend einen finanziellen Ausgleich. 26 Prozent gaben „weder noch“ an. Dennoch liegen die Arbeitszeiten deutlich über dem, was die Ärzte sich vorstellen:
Befragt nach ihren bevorzugten Arbeitszeiten antworteten 80 Prozent, zwischen 30 und 48 Stunden arbeiten zu wollen. Der Mittelwert liegt bei 38,1 Stunden pro Woche und damit etwa zwölf Stunden niedriger, als die Ärzte derzeit durchschnittlich arbeiten (50,2 Stunden pro Woche)
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Klinik-Ärzte arbeiten wöchentlich durchschnittlich 50,2 Stunden. Zwölf Stunden mehr als sie eigentlich wollen.
Foto: ts/Epoch Times
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