
Zielauftrag: Corona-Test – Laborarzt: „Jeder Patient hat das Recht auf Kenntnis seines Laborbefundes“
Aktuell landen täglich zahlreiche Menschen in Quarantäne, egal ob sie COVID-19-Symptome haben oder nicht, egal ob ein Test auf SARS-CoV-2 positiv oder negativ ausgefallen ist. Viele Bürger sind aufgrund dieser Situation verunsichert. Was wird bei den Corona-Tests untersucht und wie aussagekräftig ist das Ergebnis? Epoch Times fragte bei Prof. Dr. Jan Kramer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Innere Medizin, nach.

Prof. Dr. Jan Kramer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Innere Medizin.
Foto: privat
Die Aussage des Charité-Virologen Christian Drosten vor wenigen Tagen sorgte für Verwirrung. In einem Interview beim „Tagesspiegel“ hatte er erklärt, dass zukünftig bei Testauswertung auch die Infektiosität auf SARS-CoV-2 ermittelt werden könne. Insoweit solle ein Korridor festgelegt werden, der Hinweise gibt, wann von einer positiv getesteten Person eine Ansteckungsgefahr ausgeht.
Eine Nachfrage beim Robert Koch-Institut (RKI), der obersten staatlichen Gesundheitsbehörde, zur Aussagekraft eines PCR-Tests beantwortete die RKI-Pressesprecherin dahingehend, dass man davon ausgehe, die Labore würden bei unklarem Ergebnis den Test wiederholen.
Aus diesem Grund wandte sich die Epoch Times an den Laborarzt Prof. Dr. Jan Kramer. Seit 75 Jahren versorgen medizinische Labore im ärztlich-, inhaber- sowie in dritter Generation geführten LADR Laborverbund Dr. Kramer & Kollegen Ärzte und Patienten mit labormedizinischen Leistungen. In und um die LADR Labore sind über 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Zugleich ist der Laborarzt Vorstandsmitglied des Vereins Akkreditierte Labore in der Medizin.
Epoch Times: Ist die Aussage von Professor Drosten so zu werten, dass aktuell aus den PCR-Tests keine Aussage getroffen werden kann, ob die getestete Person infektiös ist?
Professor Kramer: Anhand der Viruslast ist gemäß RKI-Empfehlungen eine gewisse Einschätzung der Infektiosität möglich. Die nachgewiesene Viruslast ist aber auch von der Qualität der Abstrichentnahme abhängig. Allein ein Laborwert sollte daher aus laborfachärztlicher Sicht nicht zur Beurteilung der Infektiosität gelten.
Wichtig bleibt die Kongruenz mit dem klinischen Bild: Wie geht es dem Patienten? Bestehen Symptome? Seit wann bestehen Symptome? Ist es ein Erstbefund oder eine Verlaufskontrolle? Dies zeigt, wie wichtig der Dialog zwischen Laborarzt und klinisch tätigem Arzt ist.
Laborärzte telefonieren daher jeden positiven Befund Arzt-zu-Arzt. Bei Patienten mit bekannter Infektion kann der Verlauf der sogenannten CT-Werte (als Ausdruck der Viruslast) ein guter Orientierungswert zur Infektiosität sein. Dementsprechend ist dies auch ein Teil der Empfehlungen des RKI als Orientierungshilfe bei Entlassungskriterien für COVID-19-Erkrankte.
Diese Empfehlungen sind bereits seit längerer Zeit in vielen medizinischen Laboren in der täglichen Routine der Patientenversorgung umgesetzt. Die CT-Werte werden seit Beginn der Pandemie in die laborärztliche Beurteilung bei jeder Befundung einbezogen.
Epoch Times: Hat das RKI irgendwelche Zugriffe auf die genommenen Proben?
Professor Kramer: Nein.
Epoch Times: Auf der Website des RKI heißt es: „Eine Testung ist indiziert, wenn aufgrund von Anamnese, Symptomen oder Befunden ein Verdacht besteht, der mit einer SARS-CoV-2 Infektion (COVID-19) vereinbar ist.“ Gleichzeitig heißt es: „Von einer ungezielten Testung von asymptomatischen Personen wird aufgrund der unklaren Aussagekraft eines negativen Ergebnisses (lediglich Momentaufnahme) in der Regel abgeraten. Ein Anlass zur Testung von prä- bzw. asymptomatischen Personen ist die Fallfindung unter Individuen, die im Rahmen der epidemiologischen Abklärung als Kontaktperson 1. Grades eines laborbestätigten Falles eingestuft wurden.“ Momentan werden Personen auch ohne ärztliche Anamnese getestet.
Professor Kramer: Aus laborärztlicher Sicht sollte eine ärztliche Indikation zur Testung unter klinischer Beurteilung durch einen Arzt vorgenommen werden.
Epoch Times: Einige unserer Leser äußern Bedenken, dass nicht nur auf SARS-CoV-2 getestet wird, sondern auch andere Daten erhoben werden könnten. Auf der RKI-Seite gibt es einen Vordruck des Begleitschreibens vom Probenmaterial für das Labor. Darin heißt es: „Zur Absicherung eines negativen Befundes führt das RKI gegebenenfalls ausgewählte ergänzende Untersuchungen durch, aus denen sich Hinweise auf andere Infektionen mit ähnlicher Symptomatik ergeben können. Kosten für den Einsender entstehen hierdurch nicht.“ Was sagen Sie dazu?
Professor Kramer: Medizinische Labore können im Bereich der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung in der laborärztlichen Versorgung von Patienten mittels Zielauftrag (eines Parameters) oder symptombezogen unter Berücksichtigung der Differentialdiagnosen mit indikationsbezogener Anforderung (dann mehrere Parameter, beispielsweise zum Nachweis der unterschiedlichen infrage kommenden Erreger) beauftragt werden.
Die SARS-CoV-2-Analyse im Rahmen von aktuellen Verordnungen durch das Bundesministerium oder bei Personen aus dem Bildungswesen, um ein Beispiel zu nennen, ist hingegen immer ein Zielauftrag, das heißt, nur die PCR auf den COVID-19-Erreger wird durchgeführt.
Epoch Times: Wenn der Zielauftrag ist, die Proben nur auf den COVID-19-Erreger zu untersuchen, wird dann eine Aussage zu den CT-Werten, aus denen eine Infektiosität abgeleitet werden könnte, übermittelt oder wird lediglich geprüft, ob bei der getesteten Person das Virus nachgewiesen werden kann?
Professor Kramer: Wir kommentieren entsprechend alle unsere Befunde im LADR-Zentrallabor. Diese Entscheidung zur Kommentierung und/oder Weitergabe der CT-Werte obliegt aber immer auch dem verantwortlichen ärztlichen Kollegen des jeweiligen Labors.
Denn es kann durchaus auch zu Fehlinterpretationen führen, wenn Patienten mit diesem CT-Wert ohne ärztliche Beratung „allein gelassen“ werden und „Dr. Google“ womöglich suggeriert, man sei gar nicht mehr infektiös.
Aus meiner laborärztlichen Sicht muss daher die medizinische Diagnostik in der Hand von Ärzten bleiben und der Patient an die andere Hand des Arztes im Sinne der Beratung und Therapie genommen werden.
Epoch Times: Was kann eine getestete Person bei Zweifeln am Ergebnis tun?
Professor Kramer: Zunächst, jeder Patient hat das Recht auf Kenntnis seines Laborbefundes. Bei Patienten erläutert der klinisch tätige Arzt den Befund in der Regel persönlich. Ich appelliere ausdrücklich in das Vertrauen der Bevölkerung in die in Deutschland durchgeführte medizinische Laboranalytik. Durch entsprechende Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen der gesetzlichen Richtlinien und/oder von Zertifizierungen beziehungsweise Akkreditierungen besteht eine sehr hohe Verlässlichkeit der Laborergebnisse.
Wir Laborärzte sorgen für Werte, die stimmen. Der Dialog mit dem klinisch tätigen Arzt kann allerdings in einigen Fällen entscheidend sein, die Bewertung des Ergebnisses richtig vorzunehmen. Bei Zweifeln sollte sich daher jeder Patient an seinen behandelnden Arzt wenden können. Wir unterstützen dann bei Rückfragen gerne laborärztlich mit unseren Kenntnissen zu Erkrankungen und Methoden aus dem Labor.
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