Peking will die Gesinnung der KP-Beamten mit Künstlicher Intelligenz prüfen
Seit zehn Jahren ermittelt die Führung der Kommunistischen Partei Chinas gegen Millionen Beamte wegen angeblicher Korruption. Nun setzen die Machthaber offenbar im Vorfeld des kommenden Parteitags verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI), um die Gesinnung der Parteimitglieder zu überprüfen. Offenbar auch, um Xi Jinpings künftige Stellung als Parteichef zu sichern. Im Netz sorgte die Nachricht für einen Aufschrei.
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Die Buchstaben AI (Artificial Intelligence/Künstliche Intelligenz) im Zhangjiang Zukunftspark im Sommer 2021 in Shanghai, China.
Chinesische Forscher haben ein KI-basiertes Verfahren entwickelt, mit dem die kommunistische Führung ihre Beamten künftig auf „Loyalität“ hin überprüfen kann. Die neue Technologie ist offenbar Teil der Anti-Korruptionskampagne von Chinas Staatschef Xi Jinping, um sogenannte „korrupte“ Parteimitglieder aufzuspüren und auszuschalten.
In den letzten zehn Jahren unter Xi Jinping hat die Kommunistische Partei Chinas (KPC) mehr als 4,7 Millionen KP-Funktionäre und Beamte suspendiert oder strafrechtlich verfolgt wegen Korruption. Das belegen jüngst veröffentlichte Zahlen vom 20. Juni von Chinas oberster Aufsichtsbehörde für Disziplinarische Angelegenheiten.
Die verstärkte Kontrolle ist sehr wahrscheinlich ein Indiz für die wachsende Angst des Regimes vor Machtverlust, gerade im Hinblick auf den kommenden Parteitag, bei dem ein neuer Staatschef gewählt wird.
Die staatliche Nachrichtenagentur „Xinhua“ warnte kürzlich in diesem Zusammenhang: „Einige korrupte Elemente haben Interessengruppen gebildet, um die Partei und den Staat zu entmachten“.
Digitaler Autoritarismus
Das Institut für Künstliche Intelligenz des Forschungszentrums für Allgemeine Naturwissenschaften Hefei in der ostchinesischen Provinz Anhui kündigte seine neue wissenschaftliche Errungenschaft am 101. Jahrestag der Gründung der KPC offiziell auf ihrem WeChat-Konto an.
In dem Post (am 1. Juli) heißt es, das Institut habe eine Technologie entwickelt, die die KPC direkt unterstützen kann. Es sei „eine wunderbare Verbindung zwischen KI und dem Ausbau der KPC“.
Ein dazu gepostetes Video stellt die neu entwickelte Software in einem Werbefilm vor. Im Video betritt ein Mann einen Raum mit der Aufschrift „Bar für intelligentes politisches Denken“. Dann setzt er sich vor einen Computer mit Touchscreen, macht einen Test und erhält schließlich sein Testergebnis und ein Analysediagramm auf dem Bildschirm.
Der Test soll KP Funktionäre auf ihre Einstellung zur jetzigen Führung unter Xi Jinping überprüfen. Zu den abgefragten Inhalten gehören Xi Jinping-Gedanken, Kommunismus, Sozialismus, Geschichte der KPC und Fragen zur aktuellen Politik und interne Partei-Vorschriften.
KI kann Gehirnströme messen und Gesichtsausdrücke lesen
Das neu entwickelte Gerät kann mittels KI-Technologie die biometrischen Merkmale der Person vor dem Computer erfassen, darunter Gesichtsausdrücke und Hautmerkmale. Zudem misst es die elektrischen Gehirnströme und speichert diese im System ab.
Nach der Integration und Analyse der persönlichen Daten bewertet es, wie die betreffende Person die abgeprüften Inhalte versteht. Dazu misst es die Konzentration der Person vor dem Computer und wie sie Inhalte erkennt und beherrscht.
In dem Kurzfilm werben die Forscher damit, dass das neue Gerät „Künstliche Intelligenz erfolgreich in den organisierten Arbeitsablauf der KPC-Mitglieder integrieren kann“. Mit „organisiertem Arbeitsablauf“ meint die Partei gewünschte Verhaltensweisen der Mitglieder, mit denen sie ihre „Loyalität“ beweisen.
Das Forschungsteam hat das KI-Gerät im Vorfeld des 20. kommunistischen Parteitags entwickelt. Dieser soll voraussichtlich im Herbst dieses Jahres stattfinden und darüber entscheiden, ob Xi sich eine dritte Amtszeit sichern kann.
Shitstorm in sozialen Netzen
Obwohl der WeChat-Beitrag mittlerweile entfernt wurde, hat er jedoch in den sozialen Medien einen Shitstorm ausgelöst. Die WeChat-User kritisierten den Einsatz von KI zur Überwachung ideologischer Indoktrination. Einige Nutzer sprachen von „technologischer Gehirnwäsche“ und „digitalem Autoritarismus“.
Das US-Medium „China Digital Times“ veröffentlichte bereits Anfang des Monats einen Bericht zum Thema, nachdem es Auszüge des Videobeitrags erhalten hatte.
Zwei Chinesen vor der Akademie für chinesische Medizin in Peking, China.
Foto: STR/AFP via Getty Images
Offiziellen Quellen zufolge steht das Technische Institut in Hefei unter Kontrolle der Universität für Wissenschaft und Technik China. Gegründet wurde es hingegen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) und der Anhui-Provinzregierung.
KP ging bereits gegen 4,7 Millionen KP-Funktionäre vor
Am 30. Juni gab Wang Jianxin, Leiter der Propagandaabteilung der KPC, bekannt, dass sie in den letzten zehn Jahren mehr als 4,7 Millionen KP-Beamte der Korruption überführt haben. Die KP-Beamten hätten sich kriminellen Vereinigungen angeschlossen, ihre Macht missbraucht und einen unmoralischen Lebensstil geführt.
Laut einem offiziellen Bericht (2012) über die Imagekrise der KPC hatten 95 Prozent der korrupten Beamten eine Geliebte und mehr als 60 Prozent der korrupten Kader eine „Zweitfrau“. Diese Zahlen veröffentlichte der Direktor des Forschungszentrums für Krisenmanagement der Renmin Universität Chinas.
In einem Interview (30. Juni) mit Chinas Staatsmedium „Xinhua“ erklärte Zhang Lei, Juraprofessor an einer Pekinger Universität, dass es unter den KPC-Kadern vier große Probleme gebe: Formalismus, Bürokratie, Hedonismus und Extravaganz.
Gao Wenqian, ein Historiker für KP-Geschichte, ist von dem Ansatz der KPC nicht sehr überzeugt. Gegenüber des US-Radiosenders „VOA“ sagte er bereits 2016, mit der aktuellen Kampagne würden nur die Symptome der Korruption bekämpft, nicht aber die Ursache. Und das ist seiner Ansicht nach das Machtmonopol einer Partei.
„Wenn man [die KPC] nicht gegen die Ursache der Korruption vorgeht, ist es, als würde man Fliegen in einer Jauchegrube bekämpfen. Das funktioniert nicht. Man kämpft und kämpft und bleibt am Ende stecken“, sagte Gao.
Ein Leser der chinesischsprachigen Epoch Times brachte Gaos Ansatz in einem Kommentar auf den Punkt: „Die ‘Anti-Korruptionskampagne der KPC’ ähnelt einem Restaurant, das stolz verkündet, im vergangenen Jahr 100.000 Fliegen in seinen Gerichten, 10.000 Ratten in seiner Suppe und 50.000 Würmer in seinem Reis gefunden zu haben“.
Und weiter: „Ich frage mich, welcher Kunde dann noch weiter glaubt, dass dieses Restaurant sauber ist. Korruption ist die Achillesferse. Das kann ein autokratisches Regime nicht selbst lösen.“
Künstliche Intelligenz soll Partei-Mitglieder auf Linie bringen
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Rahmen der Anti-Korruptionskampagne deutet darauf hin, dass sich die parteiinternen Machtkämpfe zuspitzen und die aktuelle Führung um Machtverlust fürchtet. Mithilfe der KI sollen künftig insbesondere hochrangige Beamte strenger kontrolliert werden.
Eine kürzlich vom staatlich kontrollierten Magazin „Qiushi“ veröffentlichte Rede von Xi bei einer Parteiveranstaltung am 11. Januar bestätigt diese Vermutung. Chinas Regierungschef betont darin, die Partei wolle künftig vermehrt die „ideologische Unreinheit“ der Gedanken, Lebensstile und Organisationen innerhalb der Partei beseitigen.
Bereits im vergangenen Jahr warnte Xi die KP-Funktionäre vor dem Abweichen von der Parteilinie. Einige Mitglieder seien zu „Wortführern verschiedener Interessengruppen, Machteinheiten und privilegierter Klassen“ geworden, sagte er damals. Wer das Problem habe, würde „entschieden und gnadenlos bestraft“ werden.
Auf einer Sitzung des Politbüros am 17. Juni betonte Chinas Staatschef erneut, die Anti-Korruptionskampagne könne sich „kein Scheitern leisten“.