Die Warnungen aus der Geschichte
Wen Jiabao gedachte der Opfer totalitärer Systeme in Auschwitz

Wen Jiabao in Auschwitz.
Foto: AP Photo/Czarek Sokolowski
Die Flucht eines blinden chinesischen Dissidenten aus dem Hausarrest sorgte kürzlich für ein großes Medienecho. Am gleichen Tag besuchte Chinas Premierminister Wen Jiabao das ehemalige Konzentrationslager in Auschwitz, Polen, wo er der Opfer totalitärer Systeme gedachte.
Wens Äußerungen während seines Besuchs am 27. April wurden auch in seiner Heimat wahrgenommen, wo sein kommunistisches Regime nach wie vor religiöse Minderheiten und andere Dissidenten verfolgt oder tötet.
„Die tragischen Ereignisse, die sich hier abspielten, stellen einen schmerzlichen Abschnitt in der Menschheitsgeschichte dar, der nicht in Vergessenheit geraten darf“, sagte Wen der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge den anwesenden Journalisten. Wen erklärte, die Völker könnten nur dann eine strahlende Zukunft erschaffen, wenn sie sich ihrer Geschichte bewusst blieben.
Die Tragödie von Auschwitz sei eine Tragödie für die gesamte Menschheit, sagte Wen laut der lokalen Medien in Oswiecim „Diese Ereignisse lehren uns, dass wir gegen Krieg, Rassendiskriminierung und Gräueltaten vorgehen müssen. Nationen, die Kriege anzettelten und Unglück über die Menschheit brachten, müssen angemessen mit ihrer Geschichte umgehen und daraus lernen. Nur dann, wenn sie ihre Verbrechen und ihre Schuld eingestehen, werden sie von der internationalen Gemeinschaft respektiert werden.“ Zum Abschluss betonte Wen, die schrecklichen Geschehnisse von Auschwitz seien zwar vergangen, doch die Warnungen, die sich daraus ergeben, währten ewig.
Während Wens Aufenthalt in Auschwitz veröffentlichte der blinde chinesische Rechtsanwalt Chen Guangcheng ein Video, in dem er den Premierminister bittet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Verfolgung Chens und seiner Familie zu stoppen. Das Video erschien nach Chens Aufsehen erregender Flucht aus seinem Haus, wo er seit Ende 2010 unter Hausarrest stand und regelmäßig misshandelt wurde. Zuvor hatte er eine vierjährige Haftstraße verbüßt, ihm war Sachbeschädigung vorgeworfen worden und dass er Menschenmassen mobilisiert hätte, die den Verkehr behinderten.
Chen hatte damals eine Sammelklage gegen örtliche Funktionäre organisiert. Darin wurden Tausende von brutalen, erzwungenen Abtreibungen und Sterilisierungen angeprangert, die im Rahmen der Ein-Kind-Politik der Kommunistischen Partei durchgeführt wurden.
In seinem Video beschreibt Chen, wie er und seine Frau misshandelt wurden. Seine Frau, so Chen, erlitt mehrere Knochenbrüche durch Schläge der Wachleute, die um sein Haus postiert waren. Chen bittet Wen Jiabao, der als Reformer angesehen wird, den Fall untersuchen zu lassen.

Einige Begleiter des Premiers gaben zu, die „Neun Kommentare“ über die Kommunistische Partei gelesen zu haben, eine Artikelreihe, die in der Epoche Times erschienen ist. Darin werden die vergangenen und aktuellen Verbrechen der KP Chinas gegen das eigene Volk beleuchtet und Parteimitglieder aufgefordert, aus der KP auszutreten.
Im Internet verdichten sich Gerüchte, denen zufolge Wen Jiabao in Geheimtreffen mit hochrangigen KP-Funktionären die Rehabilitierung der Opfer des Tiananmen-Massakers von 1989 und der Falun Gong-Sympathisanten, von denen es in China an die 70 – 100 Millionen geben soll, forderte.
Die Verfolgung begann 1999, als der damalige Parteichef Jiang Zemin erklärte, er würde das Ausüben von Falun Gong aus der chinesischen Gesellschaft „ausradieren“. Im Rahmen dieser Politik wurden Anhänger von Falun Gong zu Opfern von Haftstrafen ohne Prozess, Folter, psychischer Gewalt, Zwangsarbeit und Umerziehungsmaßnahmen. In den chinesischen Staatsmedien werden Bürger, die Falun Gong praktizieren, derart verleumdet, dass einige externe Kommentatoren Parallelen zur antijüdischen Propaganda der NS-Zeit zogen.
In der Nähe des Krematoriums in Auschwitz schrieb Wen Jiabao in das Gästebuch: „Wenn wir die Geschichte kennen, können wir die Zukunft planen.“
Unter Mitwirkung von Jane Lin und Cheryl Chen
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