Gläserne Bilderbibel strahlt wieder an der Oder
Erstes der drei Frankfurter Marienkirchfenster enthüllt - Rückkehr nach fast sechzig Jahren als Beutekunst in Russland

Eine Frau fotografiert am Samstag, 28. Mai 2005, das zuvor enthuellte erste von drei mittelalterlichen Bleiglasfenstern in der Marienkirche Frankfurt
Foto: Oder.
Frankfurt/Oder – Mit einem großen Volksfest hat Frankfurt (Oder) die Rückkehr des ersten mittelalterlichen Mosaikfensters nach 60 Jahren in die Marienkirche der Stadt gefeiert. Sowjetische Soldaten hatten die insgesamt drei berühmten gotischen Glasmalereien nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Eremitage des damaligen Leningrad transportiert. Erst 2002 war der Schatz nach jahrelangen Verhandlungen an Deutschland zurück gegeben worden, was damals als Durchbruch im Streit um die so genannte Beutekunst galt.
Die zwölf Meter hohen Fenster aus ursprünglich 117 Tafeln gelten als einzige fast komplett erhaltene mittelalterliche Bilderbibel aus Glas. Ihre Ikonographie ist ungewöhnlich, Kunsthistoriker schätzen vor allem die Darstellung der Antichrist-Legende auf einem der drei Felder als einzigartig ein. Fast 60 Jahre aber galten die Scheiben aus dem 14. Jahrhundert als verschollen, nachdem sie 1946 von sowjetischen Offizieren aus Potsdam abtransportiert wurden. Schon 1941 waren sie aus St. Marien ausgebaut und zum Schutz vor Kriegsschäden ins Neue Palais im Park Sanssouci gebracht worden.
Der Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck dankte der Bundesregierung, die sich für die Rückkehr der einstigen Kriegsbeute stark gemacht habe. Entscheidend dafür, dass die Fenster nun wieder im alten Glanz erstrahlen könnten, sei jedoch die «segensreiche Kraft bürgerlichen Engagements» gewesen, sagte Platzeck mit Blick auf die umfangreichen privaten Spenden zur aufwendigen Restaurierung der Glastafeln.
Zunächst ist das Christusfenster wieder eingehängt worden. Auf 39 nahezu komplett erhaltenen Tafeln zeigt es Propheten-Szenen. Im kommenden Jahr soll dann das Fenster mit dem Antichrist-Zyklus folgen. «Diese Darstellung ist einmalig in der Glasmalerei», sagte Denkmalpflegerin Marina Flügge. «Außerdem gibt es aus der Zeit um 1367 keinen weiteren so großen zusammenhängend erhalten gebliebenen Bestand.» Mit dem Einsetzen des Genesis-Fensters, das die Schöpfungsgeschichte darstellt, soll die Pracht im Jahr 2007 wieder komplett sein. Zugleich gehen die Wiederaufbauarbeiten an der im Krieg schwer zerstörten Marienkirche voran.
Schinkel hatte Glas übermalt
Das alte Glas war vor der Rekonstruktion von einer Korrosionsschicht überzogen, teilweise gebrochen und die Tafeln wölbten sich, wie Chefrestauratorin Gerlinde Möhrle berichtete. Sie und ihre beiden Kolleginnen mussten alle Bleistege zwischen den gläsernen Mosaikteilen öffnen, Bruchkanten säubern, Fehlstellen mit Klebematerial füllen und neue Rahmen aus Messing bauen. Die wenigen fehlenden Stücke wurden mit gerasterten Gläsern ersetzt, um das Gesamtbild nicht zu stören.
Als kompliziert erwies sich die Reinigung. Die Korrosionsschicht konnte nicht ganz entfernt werden, weil sie teilweise bemalt war. Um 1830 hatte sich der preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel der Fenster schon einmal angenommen. Einige seiner Restaurierungsarbeiten hat das Team von heute rückgängig gemacht, andere als Teil der Fenstergeschichte beibehalten. AP
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