Der Engel im Walde – Von Gertrud Kolmar
Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber

Ich folgte nach und stand und blieb zurück. Er brachte nichts, er sagte nichts: Er war.
Foto: iStock
Der Engel im Walde
Ich aber traf ihn nachmittags im Wald.
Ein Wunder, das durch Buchenräume ging,
So menschenfern, so steigend die Gestalt,
Daß blaue Luft im Fittich sich verfing;
Ein Wunder, das durch Buchenräume ging,
So menschenfern, so steigend die Gestalt,
Daß blaue Luft im Fittich sich verfing;
Das Antlitz schien ein reines, stilles Leid,
Sehr sanft und silbrig rieselte das Haar,
In großen Falten schritt das weiße Kleid.
Er schaffte nichts, er sagte nichts; er war.
Sehr sanft und silbrig rieselte das Haar,
In großen Falten schritt das weiße Kleid.
Er schaffte nichts, er sagte nichts; er war.
Und nichts an ihm, was schreckte, was verbot,
Und dennoch: keines Sterbens Weggenoß,
Daß meine Lippe, ob auch unbedroht,
Erstaunten Ruf, die Frage stumm verschloß.
Und dennoch: keines Sterbens Weggenoß,
Daß meine Lippe, ob auch unbedroht,
Erstaunten Ruf, die Frage stumm verschloß.
Ein Blatt entwehte an sein Gürtelband,
Vergilbt und schon ein wenig krausgerollt;
Er fing und trug es in der schmalen Hand
Wie ein Geschenk aus Bronze und aus Gold.
Vergilbt und schon ein wenig krausgerollt;
Er fing und trug es in der schmalen Hand
Wie ein Geschenk aus Bronze und aus Gold.
Wer sah ihm zu? Das Eichhorn, rot am Ast,
Und Rehe, die das Buschwerk schnell verlor.
Und Erlen wanden schon im Abendglast
Wie schwarze Schlangen züngelnd sich empor.
Und Rehe, die das Buschwerk schnell verlor.
Und Erlen wanden schon im Abendglast
Wie schwarze Schlangen züngelnd sich empor.
Er regte kaum die dünne Blätterschicht
Mit weichem Fuß. Er hatte ewig Zeit
Und zog: wohin? In Stadt und Dörfer nicht;
Er wallte außer aller Wirklichkeit.
Mit weichem Fuß. Er hatte ewig Zeit
Und zog: wohin? In Stadt und Dörfer nicht;
Er wallte außer aller Wirklichkeit.
Nicht unsre Not, nicht unser armes Glück,
Nur keusche Ruhe barg sein Schwingenpaar
Ich folgte nach und stand und blieb zurück.
Er brachte nichts, er sagte nichts: Er war.
Nur keusche Ruhe barg sein Schwingenpaar
Ich folgte nach und stand und blieb zurück.
Er brachte nichts, er sagte nichts: Er war.
Gertrud Kolmar (1894 – 1943)
Aktuelle Artikel des Autors
14. Februar 2022
Der Engel im Walde – Von Gertrud Kolmar
31. Januar 2020
Der Engel im Walde – Von Gertrud Kolmar
25. November 2018
Der Engel im Walde – Von Gertrud Kolmar
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.