Seit mehr als 200 Jahren im Schwarzwald: Der Schiltacher Silvesterzug
Auch in diesem Jahr werden sich die Bürger Schiltachs am Silvesterabend versammeln und singend durch die Gassen ihrer schönen Stadt ziehen – wie seit mehr als 200 Jahren.
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Der Schiltacher Silvesterzug, ein schöner, alter Brauch, der auch heute lebendig ist.
Spätestens eine Viertelstunde nach acht Uhr kommt am 31. Dezember Bewegung in die abendlichen Wintergassen der romantischen Fachwerkstadt im Schwarzwälder Schiltachtal.
Alles – Jung und Alt – strömt zum Marktplatz, wo wenig später, Punkt halb neun, der warme Klang der großen Turmglocke von der Stadtkirche Schiltachs her ertönt und den Beginn des Silvesterzugs einläutet.
Künstliches Licht ist ausgeschaltet. Fast jeder trägt eine althergebrachte Holzlaterne, die den warmen Schein von Kerzen vor dem Verlöschen schützt. Ihr vielfaches Leuchten erhellt mild das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes.
Um 1800 entstanden
Spätestens um 1810, vielleicht noch früher, soll der herzerwärmende Brauch entstanden sein. Seitdem machen sich die Bürger des Schwarzwälder Ortes am letzten Abend des Jahres miteinander auf den Weg durch ihre Stadt.
Darstellung des Schiltacher Silvesterzugs im späten 19. Jahrhundert.
Foto: Stadt Schiltach
Zusammen lassen sie eine alte und fromme Tradition immer wieder lebendig werden. Und unwillkürlich fragt man sich, ob dies nicht eine heilsame Tradition ist, die von Schiltach aus die Welt erobern sollte. Eine Welt, deren Bewohner viel zu oft verlernt haben, einander und vor allem Gott für alles Gute, Lob und Dank zu erweisen.
Schon 1886 schreibt der damalige Hauptlehrer Schiltachs, Johann Höflin, über den innigen Wunsch, diese „schöne Sitte zu erhalten“. Er stellt einfache Regeln auf, damit das Wesentliche dieses besonderen Abends nicht verwässert oder gestört werde. Regeln, die bis heute gelten und befolgt werden.
Statt Hast und Eile, Kerzenlicht und Gesang
Gedrängel, Lärm oder grelles Licht gibt es deshalb beim Schiltacher Silvesterzug nicht. Ruhig und gelassen formiert sich der Zug. Alle, die hinzukommen, schließen sich ihm an seinem Ende ohne Hast und Eile an.
Alle beleuchten mit ihren Laternen den gemeinsamen Weg und alle singen mit, wenn die Lieder, die seit Jahrhunderten an diesem „Altjahrsabend“ in Schiltach angestimmt werden, erklingen.
Besonders der berühmte Choral „Nun danket alle Gott“ wirkt wie die Quintessenz des gemeinsamen Spaziergangs. Gedichtet und komponiert vom sächsischen Kantor und Pastor Martin Rinckart (1586–1649) in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, scheint trotz aller Gräuel und Leiden dieser Zeit in allen drei Liedstrophen tiefer Glaube und Gottvertrauen auf – und klingt bis in unsere Tage.
Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zu gut bis hierher hat getan.
Der ewigreiche Gott woll’ uns bei unserm Leben ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort und uns aus aller Not erlösen hier und dort.
Lob, Ehr und Preis sei Gott dem Vater und dem Sohne und Gott dem Heilgen Geist im höchsten Himmelsthrone, ihm, dem dreiein’gen Gott, wie es im Anfang war und ist und bleiben wird so jetzt und immerdar.
In gemessenem Schritt und Gesang wandern die Menschen vom Marktplatz durch das „Vorstädtle“ über die Stadtbrücke zur evangelischen Kirche bis zum Pfarrhaus. Dort hält der Pastor vom Fenster aus eine Predigt und erteilt den Menschen den Segen, bevor sich der Zug wieder Richtung Marktplatz wendet.
Der Zug durch die Stadt beim Schein von Laternen und Pechfackeln am Straßenrand.
Foto: Stadt Schiltach
Mit einer Ansprache des Bürgermeisters über die Ereignisse des nun fast vergangenen Jahres, feierlichen Weisen und gegenseitigen Neujahrswünschen endet der gemeinschaftliche, besinnliche Abend.
Gemeinsamer, friedvoller Weg
Jeder feiert nun den Übergang zum neuen Jahr auf die eigene Weise. In allen schwingt jedoch der gemeinsame, friedvolle Weg durch Heimatstadt und Nacht des Silvesterabends nach.
Zusammen mit dem wunderbaren Gefühl, Teil einer Gemeinschaft und einer Menschheitsfamilie zu sein, die bescheiden und dankbar um die Wirkmacht des Göttlichen weiß.