Meinung
Auferstehen mit Händel
Die gesungene Osterwahrheit
„Am unverzichtbarsten ist im christlichen Festkalender das Osterfest. Notfalls, schlimmstenfalls könnte man alle anderen Feste bleiben lassen. Nicht aber, nie aber Ostern.“ Der dies schreibt, der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti, gibt dennoch unumwunden zu, alle seine Osterpredigten seien gescheitert. „Denn die Sprache bekommt Ostern nicht in den Griff.“
Wie wahr! Aber es gibt einen göttlichen Gesandten, der der verbalen Botschaft aufzuhelfen vermag: den Ton. Jedenfalls für den, der Ohren hat zu hören. Und so sagt denn auch Marti, am überzeugendsten sei die gesungene Osterwahrheit.
Dieser Tage griff ich wieder zu den „Sternstunden der Menschheit“ von Stefan Zweig. Die dritte der historischen Miniaturen heißt „Händels Auferstehung“. Von Zweigs Erzählkunst gepackt, ließ ich mich mitnehmen, ein gewaltiges Wunder zu bestaunen. Es ist ein zweifaches, dem großen Komponisten erst an seinem Leibe und kurz danach an seiner Seele widerfahrendes. In London trifft Händel 52-jährig der Schlag. Es scheint aus mit ihm zu sein. Und doch darf er genesen, aus seiner Todesnacht mit neuer Kraft erwachen. „Aus dem Hades bin ich zurückgekehrt“, bekennt er, schreibt wieder Opern und Oratorien. Doch die Umstände sind gegen ihn. Gläubiger machen ihm das Leben zur Hölle, Kritiker verspotten ihn. „Wozu,“ seufzt er, „hat Gott mich auferstehen lassen aus meiner Krankheit, wenn die Menschen mich wieder begraben?“
Am Abgrund der Verzweiflung erreicht ihn unversehens von seinem Librettisten der „Messias“. Die ersten Worte: „Sei getrost“ („Comfort ye“) bringen die Wende, lösen einen Schaffensrausch ohnegleichen aus. Tag und Nacht arbeitet der Meister, nicht ansprechbar, hingegeben nur der himmlischen Muse. Nach kaum drei Wochen ist das Werk vollendet – und Händel wiederum auferstanden von den Toten. Die Uraufführung am 13. April 1742 in Dublin ist ein Benefizkonzert zugunsten Gefangener und Kranker.
Für mich ist der „Messias“ eine Predigt ersten Ranges. Ich hörte kürzlich die Aufnahme mit William Christie. Ohne Pathos wird schlank und flüssig musiziert. Ein zu Herzen gehendes Ostern!
— Kurt Marti, Gott im Diesseits. Versuche zu verstehen, 2005
— Stefan Zweig, Sternstunden der Menschheit, TB 49. Aufl. 2003
— Händel – Messiah; Schlick, Piau, Scholl, Berg, Les Arts Florissants, William Christie – Doppel CD 1994
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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