Meinung
Ein Figaro als Fotograf
„Behaarlichkeit siegt“ nach „haarigen Zeiten“

Flotte Sprüche an der „haarigen Kurve“ in Berlin-Schlachtensee (alle Fotos: Jörg Tönnies)

Das Wirtschaftswunder lockte in den 50er Jahren, weitere Läden eröffnete der Vater auch in eher bürgerliche Bezirke, wo er die teuersten Salons am Platz einrichtete. Dem Sohn riet er, eine Kochlehre zu machen. Aber der väterliche Beruf verlockte auch den Sohn, die Meisterprüfung absolvierte er und richtete sich schließlich im vornehmen Bezirk Schlachtensee die untere Etage eines zweistöckigen Eckhauses als Frisiersalon ein. So weit, so gut.
Die äußere Krise

Jörg Tönnies entwickelte Ideen: „Hinter dem Zaun ist Ihr Coiffeurteam“ schrieb er schwarz auf weiß handschriftlich auf weißes Tuch und hängte es an den Bauzaun. Der Eckplatz an der sehr befahrenen Straße sicherte ihm von nun an Aufmerksamkeit, als die flotten Sprüche erschienen wie: „Ein Schnitt wird kommen“, „Schneeflöckchen, Weißlöckchen“ und „Santa Kraus“. Stadtbekannt wurde damit die „haarscharfe Kurve“ an der Spanischen Allee, wo er im heißen Sommer „coole Hitzköpfe“ propagierte und natürlich geht er mit der Zeit und setzt auch mal eine „Hair-Mail für Dich“ ab.
Nicht nur Kunden reagierten auf die witzigen Sprüche, Fremde halten an, tun aus dem Auto heraus ihre Begeisterung kund, Jogger nehmen schnell die Kurve in den Laden, um eigene Wortschöpfungen abzuliefern. „Sie können sich nicht vorstellen, was das für neue Begegnungen erzeugt hat“, sagt Tönnies. „Noch nie habe ich eine Wortschöpfung wiederholt, ich führe genau Buch.“
Die innere Krise

Und da er auch ein „optischer“ Mensch ist, der schon immer gern fotografierte, begann er in seinen weiträumigen Salons die eigenen Fotografien auszustellen. Wenn man bei Tönnies den Kopf hintenüber beugt zur Haarwäsche, dann können von vier Plätzen aus die schräg unter der Decke angebrachten neuesten Fotos begutachtet werden. Neue Gesprächsthemen ergaben sich von nun an mit den Kundinnen, die erfreut auf die künstlerische Erweiterung reagierten. Hochwertige Fotos über Berlin bei Nacht oder eine Sammlung von Musikinstrumenten, über Menschen im Café oder über Türbeschläge an Häusern der Toskana, das wurde der „Knüller“, wie man in Berlin sagt.

Seine Frohnatur hat Jörg Tönnies mit Witz und Kreativität wiedergewonnen. Der Laden floriert, die ungezwungene Heiterkeit teilt sich mit, die Krise hat neues Leben hervorgebracht. So siegte die Beharrlichkeit, um aus „haarigen Zeiten“ wieder aufzutauchen. Wer hier anklopft, braucht nicht die bronzenen Türklopfer aus der Toskana, mit denen die neueste Ausstellung bestückt ist, das Coiffeurteam setzt die Kinder vor Mickymausfilme, über den Herren kreist ein Ventilator ruhige Bahnen mit Faschingsluftschlangen behängt – der Zeit entsprechend – und die Damen werden mit „0sterlocken“ auf den kommenden Frühling eingestimmt.

Die historischen Türen und ihre wunderschönen Beschläge stammen aus den Orten San Gimignano, Montepulciano, Siena, Florenz und Volterra.
Der Barbier von Sevilla
Aus der Arie des Figaro aus der Oper von Gioachino Rossini
Text: Cesare Sterbini
Figaro! Figaro! Figaro! Figaro! Figaro! Figaro!
Zu viel, weh mir! man foltert mich!
Zu viel, wahrhaftig! Alles auf einmal!
Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr! ich kann nicht mehr!
Alles auf einmal, alles auf einmal,
Alles auf einmal, ich kann nicht mehr!
Figaro! – Bin dort! – Figaro! bin da!
Figaro dort! Figaro da! Figaro hier! Figaro da!
Figaro oben! Figaro unten! Figaro hüben! Figaro drüben!
Eiligst auf jeden Wink bin wie der Blitz so flink!
Bin das Faktotum der schönen Welt! –
Zu viel, weh mir! man foltert mich!
Zu viel, wahrhaftig! Alles auf einmal!
Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr! ich kann nicht mehr!
Alles auf einmal, alles auf einmal,
Alles auf einmal, ich kann nicht mehr!
Figaro! – Bin dort! – Figaro! bin da!
Figaro dort! Figaro da! Figaro hier! Figaro da!
Figaro oben! Figaro unten! Figaro hüben! Figaro drüben!
Eiligst auf jeden Wink bin wie der Blitz so flink!
Bin das Faktotum der schönen Welt! –
Ha, bravo, Figaro! bravo, bravissimo!
Ich hab’ die schönste Kunst erwählt!
Ich bin das Faktotum unsrer schönen Welt,
Der schönen Welt, der schönen Welt, der schönen Welt!
Ich hab’ die schönste Kunst erwählt!
Ich bin das Faktotum unsrer schönen Welt,
Der schönen Welt, der schönen Welt, der schönen Welt!

Dienstag bis Freitag 9 Uhr bis 18 Uhr Samstag 8 Uhr bis 14 Uhr Sonntag und Montag geschlossen. Der Eintritt ist kostenlos.
Coiffeur Jörg Tönnies – Fotogalerie, Am Schlachtensee 151, 14129 Berlin-Schlachtensee, Tel.: (030)803 47 74
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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