Meinung
„Flying Doctors“ aus Germany helfen im Slum von Nairobi
Kostenlos - doch nicht umsonst: Direkthilfe für die Ärmsten der Armen durch Privat-Intiative von Pfälzer Ärzten

Kinder lieben die Ärzte, Behandlung kann auch Spaß machen. (Alle Fotos: privat)

Wir gehen zur Terrasse, im Vorfeld hatte ich erfahren: sie mögen trockenen und erlesenen Rotwein. Der eine – blond und breitschultrig, ein wenig gebeugt und noch gezeichnet von den Schmerzen eines schweren Unfalls – ist Santiätsrat Dr. Jürgen Ziegler, auch noch Oberstabsarzt zur See, ein Zahnarzt. Der andere, eher drahtig, dunkelhaarig und ein bisschen elegant im Seidenrolli ist Dr. Klaus Döderlein, Facharzt für Hals – Nase – und Ohren. Aber keiner von beiden hat den Mutter-Theresa-Blick.
„Also, meine Herren,“ frag ich frisch-munter drauf los, „dann erzählen Sie mal. Hat das, was sie hier machen, etwas zu tun mit den „Flying Doctors“ von der AMREF (African Medical and Research Foundation), mit hohem Spendenaufkommen? Oder ist es doch eher etwas anderes, und der Name ist nur ein Spitzname seitens ihrer Bewunderer?“ „Die AMREF? Nein, damit haben wir hier gar nichts zu tun. Wir sind klein, aber fein. Das ist etwas ganz anderes. Bei uns gehen die Spenden zu hundert Prozent dahin, wo sie gebraucht werden,“ schmunzelt Dr. Döderlein. „Aber das liegt daran, wie das alles mal anfing. Ein paar Freunde saßen zusammen beim Bier, wie das so geht.“ Und so erzählt er weiter, wie er mit einem Bekannten, einem Flugzeugkapitän der Lufthansa Cargo, zusammen saß. Der erzählte ihm über die regelmäßigen Frachtflüge nach Nairobi und den Aufenthalten dort, und auch von den Zuständen in den Slums und über das neue SOS Kinderdorf, dem eine kleine Ambulanz angegliedert ist, doch das Nötigste fehle, vor allem aber Ärzte. Zu der Zeit, 2004, kam einmal pro Woche eine Ärztin dorthin für drei bis vier Stunden, in der übrigen Zeit standen nur zwei Schwestern und ein Labortechniker bereit. Sie sprachen über die unsägliche Not der Menschen und dass etwas getan werden müsste.

Was sie erwartete, war ernüchternd. Nairobi, mit einem luxuriösen, europäischen Kern für Touristen – und außenrum nur Slums. Das SOS Kinderdorf liegt am Rande der Stadt im einem Slum namens Buru-Buru und besteht aus acht bis zwölf Häusern mit jeweils bis zu 16 Kindern und den zugehörigen Tagesmüttern und „haben wenigstens zu Essen und zu Trinken dort“. Das Medical Centre liegt auf der anderen Straßenseite und ist „vom klinischen Standard einwandfrei, die können dort sterilisieren und das Personal ist gut geschult und hoch motiviert“. Das sei aber auch bitter nötig, denn die Einwohner der Slums seien bis zu achtzig Prozent HIV-positv, auch die Kinder. „Deshalb werden die Kinder auch relativ zu Waisen und kommen zu Verwandten oder landen auf den Straßen.“
Als sie eintrafen, der Zahnarzt hatte doch sicherheitshalber ein paar Bohrer, Zangen und Spritzen im Gepäck – wie bei jeder Reise, wurden sie überrascht. Denn ihr Freund, der Flugkapitän, hatte die beiden bereits angekündigt, „da standen die Leute also schon Schlange als wir kamen. Es gab also nicht viel zu erkunden, es gab einfach nur jede Menge zu tun. Wir haben dann gleich eben nicht organisiert, sondern losgelegt und unsere Arbeit gemacht.“ Alle lachen. „Ja, so isses halt!“ schlägt der Dialekt durch.
Im Reiz des Neuen und angesichts der Not bedachten die Mediziner nicht einen Moment lang, dass sie ohne Lizenz und Genehmigung in einem fremden Land einer Arbeit nachgingen und dass das auch Konsequenzen anderer Art für sie haben könnte. „Inzwischen haben wir das geregelt, wobei wir dafür eine Menge Geld bezahlen müssen um auf unsere eigenen Kosten die Leute behandeln zu dürfen. Doch jetzt arbeiten wir mit ordentlichen Bestallungsurkunden und Genehmigung. Seitens des Landes gab es kein Entgegenkommen, denen sind die Leute in den Slums egal.“ Ein bitterer Zug liegt um den Mund von Dr. Ziegler. Um die reibungslose Abfertigung der Koffer und Kisten mit Medikamenten und medizinischem Gerät müsse man eben auch die standardisierte Bestechungsmentalität der Beamten in diesem Land bedienen. Es habe auch schon Situationen gegeben, wo er am Zoll den zuständigen Beamten durch eine Zahnbehandlung überzeugen konnte.


Doch schnell ist der HNO-Arzt wieder beim Thema: „In der Zwischenzeit haben wir auch schon ordentlich Spenden bekommen. Die setzen wir natürlich eins zu eins um. Wir haben das Medical Centre gut ausgestattet mit allem Drum und Dran, was eben gebraucht wird für einen reibungslosen Ablauf.“ Ziegler flankt ein: „Wir verwenden das Geld auch, damit Kinder in ordentlichen Krankenhäusern operiert werden können, damit ihre Lebensqualität einigermaßen erhalten bleiben kann. Wobei wir hier von einem Niveau reden, das für uns hier unvorstellbar ist. Die Menschen leben und denken eben ganz anders.“ „Allerdings sind wir von unserer anfänglichen Weihnachtsmann-Mentalität schnell wieder heruntergekommen. Das kann auf Dauer für niemanden gut sein“, sagt Dr. Ziegler abschließend.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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