Meinung
Professor Eberhard Schneider im Gespräch: Ungeplanter Krieg?
Die Lage im Konflikt zwischen Südossetien, Abchasien und Georgien und zwischen Georgien und Russland ist schwer zu beurteilen. – Licht ins Dunkel bringen die Einschätzungen von Dr. Eberhard Schneider, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Siegen, Chefredakteur von „Russland intern aktuell“ und Spezialist für russische sowie ukrainische Innen- und Außenpolitik.

Mehr als 50.000 Georgier protestierten heute in Tiflis vor dem Parlamentsgebäude für ein Ende des bewaffneten Konflikts.
Foto: AFP Photo/Zviad Nikolaishvili
Schneider: Das waren die Heckenschützen in Südossetien, die verhindern wollten, dass am vergangenen Donnerstag die – nach langer Pause – vereinbarten Gespräche zwischen Vertretern Georgiens und Südossetien stattfanden. Dieses Treffen wurde im letzten Moment von Südossetien abgesagt. Heckenschützen beschossen dann georgische Dörfer in der Umgebung der südossetischen Hauptstadt Zchinvali. Dabei wurden Polizisten und auch Zivilisten getötet. Daraufhin schoss das georgische Militär zurück.
ETD: Was wären denn sonst die Konsequenzen dieser Gespräche gewesen?
ETD: Heckenschützen sind ja in der Regel anonym. Gibt es da Vermutungen?
Ein Georgier vor dem zerstörten Wohnkomplex in Gori, in dem er eine Wohnung hatte. Laut Informationen des Internationalen Roten Kreuzes hat der Konflikt 40.000 Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben. (AFP Photo/Dimitar Dilkoff)Schneider: Putin hat auf einer seiner letzten Pressekonferenzen als Präsident im vorigen Herbst erklärt, dass, was Ossetien und Abchasien betrifft, zwei völkerrechtliche Prinzipien im Widerstreit miteinander liegen. Das eine Prinzip ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das andere Prinzip ist, dass Staatsgrenzen nicht verschoben werden sollen. Und bisher hat es Russland vermieden, diesen Schritt zu gehen, diese Teilrepubliken sich einzuverleiben. Wenn einmal angefangen wird, an Staatsgrenzen zu rütteln, wenn man dies also nicht – wie damals beim Zerfall der Tschechoslowakei – auf friedlichem Wege erreicht, ist das eine gefährliche Angelegenheit. Dann könnten einige russische Republiken auch auf diese Idee kommen. Bisher hat Russland Tschetschenien die Unabhängigkeit gewaltsam verwehrt.
ETD: Welche Rolle kann die UN spielen?
Schneider: Die Vereinten Nationen zeigen sich völlig hilflos. Das ist nicht anders zu erwarten, denn Russland hat das Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat. Es kam keine Resolution zustande. Die einzigen, die eventuell eher handlungsfähig sind, ist die EU und vielleicht ein bisschen die OSZE.
Verzweifelter Flüchtling aus Gori während ihrer Flucht aus dem umkämpften Grenzgebiet Südossetiens. (AFP Photo/Marco Longari)Schneider: Im Grunde kann die EU nur diplomatisch etwas machen und sie tut es ja mit dem französischen Außenministers Bernard Kouchner, der nach Tbilissi und Moskau reist. Er ist ja gleichzeitig Ratsvorsitzender der Europäischen Union. Der deutsche Außenminister Steinmeier konnte durch Telefonate mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und der georgischen Außenministerin erreicht, dass die beiden zumindest einmal miteinander telefonieren. Deutschland hat den Vorsitz in der UN-Freundesgruppe für Abchasien inne. In dieser Funktion versuchte Außenminister Steinmeier im Juli durch seine Reisen in diese Region und nach Moskau eine Vermittlung, die leider scheiterte.
Schneider: Schon seit anderthalb Jahren gibt es in Moskau verschiedene Pläne, einen solchen Regimewechsel in Tbilissi herbeizuführen.
ETD: Wie ist die Unterstützung des georgischen Präsidenten in der eigenen Bevölkerung?
Schneider: Dieser Krieg hat dazu geführt, dass die Opposition die Kritik an dem Präsidenten aufgab und sich in der nationalen Gefahr des Landes um den Präsident schart. Der Präsident hat durch den Krieg erreicht, dass sich die russischen Truppen selbst als „Friedenstruppen“ bloßgestellt haben, denn sie sind nicht neutral, was Saakaschwili immer erklärt hat. Das Zweite, was vielleicht erreicht wird, ist eine Internationalisierung dieses Konfliktes, was Saakaschwili eigentlich schon immer wollte, wofür aber nicht das entsprechende Verständnis im Westen gefunden hat.
ETD: Was für eine Rolle spielt China?
Schneider: In vielen ähnlichen Fällen hat sich China in internationalen Angelegenheiten und Streitfällen immer wie Russland verhalten, aber hier in diesem Falle ist mir die chinesische Meinung nicht bekannt. Ich weiß auch nicht, ob China sich überhaupt dazu geäußert hat.
Bewohner der südpossetischen Stadt Tskhinvali verfolgen gespannt die Nachrichten. (AFP Photo/Dmitry Kostyukov)ETD: Die USA haben Russland dafür kritisiert, dass die militärischen Aktionen Russlands gegen Georgien unverhältnismäßig sind und drohen mit Konsequenz für ihre Beziehungen zu Russland. Welche Konsequenzen könnten eintreten?
Schneider: In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Georgien amerikanische Militärberater in Kasernen bei georgischen Truppen stationiert sind. Es hätte durchaus passieren können, dass russische Bomben amerikanische Soldaten in Georgien hätten töten oder verwunden können. Die Beziehung zwischen den USA und Russland sind zur Zeit sowieso nicht besonders. Es ist wahrscheinlich, dass die NATO den angepassten Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) nicht ratifizieren wird. Wahrscheinlich wird es auch kein Nachfolgeabkommen zum START 1-Vertrag geben, der im nächsten Jahr ausläuft.
Ein südossetisches Mädchen in einem russischen Lager in Tskhinvali. (AFP Photo/Dmitry Kostyukov)Schneider: Der einzige wichtige Punkt der Auswirkungen könnte die Ölpipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan betreffen, die einzige Ölpipeline in Osteuropa, die außerhalb Russlands verläuft und Öl aus Kasachstan und Aserbaidschan nach Europa bringt. Wenn sie beschädigt würde, würde es zu Lieferengpässen kommen. Wegen des Kaukasus-Kriegs steigt der Ölpreis. Damit steigen auch die russischen Einnahmen durch den Verkauf des Öls.
ETD: Wie schätzen Sie die Möglichkeit der Verwirklichung dieser Lösung ein?
Schneider: Diese Idee, die ich gerade vorgetragen hatte, stammt von einem russischen Botschafter, die er mir Anfang Juni in St. Petersburg vorgetragen hat. Im Moment wird ein solcher Kompromiss nicht zu erreichen sein. Wahrscheinlich müsste dafür einige Zeit vergehen. Es wird wohl jetzt erst einmal bei der Besetzung von Südossetien und Abchasien durch russischen Truppen bleiben, denn es dürfte sehr schwer sein zu erreichen, dass die russischen Truppen wieder abziehen. Sie müssten dann durch internationale Friedenstruppen ersetzt werden. Dann fragt sich, welche Länder dazu Soldaten beisteuern.
ETD: Wird Deutschland auch Truppen schicken?
Prof. E. Schneider. (Privat)Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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