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Verfassungsschutzbericht 2019 warnt vor chinesischen Agenten – Datenklau und Informationsspionage im großen Stil

Linksextremismus, Rechtsextremismus und Entwicklungen im radikal islamistischen Spektrum standen auf der Tagesordnung, als am 9. Juli der Verfassungsschutzbericht von Bundesinnenminister Horst Seehofer vorgestellt wurde. Das 388 Seiten umfassende Dokument enthält jedoch noch andere brisante Aspekte, die auf Sorge bereitende Aktivitäten hinweisen – beispielsweise zur politischen Spionage aus China.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (R) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang posieren während einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Jahresberichts zum Verfassungsschutz am 27. Juni 2019 in Berlin.

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/POOL/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 11 Min.

„Seit dem Machtantritt des Staats- und Parteichefs Xi Jinping im November 2012 hat im politischen System Chinas die Bedeutung der Nachrichtendienste stetig zugenommen“, heißt es in dem Verfassungsschutzbericht 2019, der von Bundesinnenminister Horst Seehofer am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.
Mit ihren umfangreichen Befugnissen würden die Nachrichtendienste maßgeblich dem „Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas“ (KPC) im dortigen Einparteiensystem dienen. Dabei seien der Ausbau von Macht und Einfluss, der Umbau der Volkswirtschaft zu einer entwickelten Industriegesellschaft sowie die Technologieführerschaft in Zukunftsbranchen ehrgeizige Ziele der Staats- und Parteiführung.
Um seine technologischen Lücken zu schließen, kauft China verstärkt deutsche mittelständische Unternehmen aus dem Spitzentechnologiesektor auf. Damit soll das industriepolitische Hightech-Programm „Made in China 2025“ realisiert werden. Denkbar sei laut Verfassungsschutzbericht auch ein Szenario, wonach China „durch den Erwerb sicherheitsrelevanter Unternehmen sensible Daten und damit Wissen erlangt, das auch deutsche Sicherheitsinteressen beeinträchtigt“.
Auch im Militärbereich sind Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr von „besonderem Interesse“, ebenso wie moderne Waffentechnik aus der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und das trotz bestehender Exportbeschränkungen.

Spionage in Deutschland

Der Einfluss des kommunistischen Regimes in Deutschland ist nicht zu unterschätzen. Chinesische Nachrichtendienste steuern Operationen unmittelbar aus ihren Zentralen und Regionalbüros in China. „So werden Zielpersonen mit hochwertigen Zugängen bei Aufenthalten in China angesprochen und mit der Aussicht auf eine reizvolle Entlohnung angeworben“, erklärt der Bericht das Vorgehen des chinesischen Regimes. Die in der Folge stattfindenden Treffen würden in Drittländern durchgeführt, um die Beziehung zu dem Agenten zu verschleiern. Die Steuerung erfolge über webbasierte verschlüsselte Kommunikation.
Vor allem soziale Netzwerke wie LinkedIn würden für die Kontaktaufnahme genutzt werden. Dabei sei der „Modus Operandi“ fast immer der gleiche: „Vermeintliche Wissenschaftler, Jobvermittler und Headhunter knüpfen Kontakte mit Personen, die über ein aussagekräftiges Personenprofil verfügen. Sie werden mit verlockenden Angeboten geködert und schließlich nach China eingeladen; dort erfolgt die nachrichtendienstliche Anbahnung.“
Ebenso werde Wirtschafts-, Wissenschafts- und Technikspionage über die Nachrichtendienste betrieben. Über freundschaftliche Beziehungen und Kontakte versuche man, ausgewählte Personen für eine enge Zusammenarbeit zu gewinnen. Wegen der engen Verflechtung von Staat und Wirtschaft in China sei es im Einzelfall kaum möglich, zwischen staatlich betriebener Wirtschaftsspionage und Ausspähung durch konkurrierende Unternehmen zu unterscheiden.

Chinesische Investitionen – eine Gefahr für die Wirtschaft

Ein „erheblicher staatlicher Einfluss“ Chinas auf deutsche Unternehmen bestehe durch getätigte Investitionen. Dieser äußert sich laut Verfassungsschutzbericht beispielsweise durch weitreichende Pflichten zur Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden, unternehmensinternen Parteizellen, selektive Kreditvergabe und Monotoring von Unternehmen und Mitarbeitern durch staatliche Social-Scoring-Verfahren.
Die geopolitischen Investitionsziele und der staatliche Einfluss machen China „zur größten Herausforderung“ in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen in Deutschland aus nachrichtendienstlicher und sicherheitspolitischer Sicht. Zwar seien die chinesischen Investitionen quantitativ zurückgegangen, dies sage jedoch nichts über die „Qualität einzelner Übernehmen“ aus. In technologischen Schlüsselbranchen müsse weiterhin mit gezielten Übernahmen von Unternehmen gerechnet werden. Schließlich sei Chinas Investitionsstrategie „langfristig angelegt“.
Laut Verfassungsschutzbericht erzeugen chinesische Investitionen in Deutschland „wirtschaftliche Abhängigkeiten“, die China bei Bedarf „als Hebel für politische Zugeständnisse“ einsetzen kann. Kernziel der Wirtschaftsspionage seien Wirtschaftsunternehmen, die China auf den Weg zur weltweiten führenden Wirtschaftsmacht unterstützen sollen. Die umfangreiche Wirtschaftsspionage und der „gezielte, systematische illegitime Wissenstransfer durch chinesische Cyberangriffe“ richten einen „signifikanten Schaden“ bei betroffenen Unternehmen und der gesamten Volkswirtschaft an.

Spionage im Westen

Mutmaßliche chinesische Cyberakteure, die politische Ziele verfolgen, scheinen seit 2018 laut Bericht auch in europäischen und westlichen Staaten vermehrt im Fokus zu stehen. Mittels der eigens entwickelten Schadsoftware Hyperbro und Focusfjord haben beispielsweise Gruppierungen wie APT alias Emissary Panda zahlreiche Regierungsinstitutionen angegriffen. Auch „Deutschland war und ist aufgrund seiner politischen und militärischen Einbindung in internationale Bündnisse und Organisationen auch politisch ein lohnenswertes Ziel.“
Im Verfassungsschutzbericht 2019 geht man davon aus, dass die weltpolitische Situation und die damit zusammenhängenden politischen und wirtschaftlichen Ambitionen Chinas eine „weitere Intensivierung der Spionageaktivitäten“ und der Einflussnahmeaktivitäten erwarten lassen. Nach wie vor setze das Regime auch im Ausland auf eine umfassende Kontrolle der eigenen Bevölkerung durch die Partei. Mit „neuen, strikteren Sicherheitsgesetzen“ stärke China die Macht des Sicherheitsapparates und dessen Einfluss auf die Wirtschaft und alle gesellschaftlichen Bereiche.
„Je stärker China wirtschaftlich weltweit expandiert, je stärker China eben auch Einfluss nimmt auf weltweite Politik, umso aktiver sind möglicherweise eben auch chinesische Dienste, diese Einflüsse zu unterstützen oder durch entsprechende Spionageaktivitäten zu fördern“, warnte  Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang auf der Presseerklärung.
Bei Direktinvestitionen aus China in Deutschland würde es um einen „gezielten Abfluss von Know-how“ gehen, insbesondere von kritischen Infrastrukturen. Es könne nicht im Interesse des Staates sein, dass hier wesentliche Erkenntnisse abfließen und Deutschland dadurch anfällig werde. In einer Anhörung der Geheimdienstchefs vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages Ende Juni wurde mitgeteilt, dass fast jeden Monat ein mutmaßlicher chinesischer Spion in Berlin verhaftet wird.
Haldenwang betonte in dieser Runde: „Mein Eindruck ist, dass Berlin schon seit einiger Zeit die Hauptstadt der Spione ist … Das Ausmaß der Spionagetätigkeit gegen deutsche Interessen ist auf dem Niveau des Kalten Krieges oder übertrifft es in einigen Bereichen sogar.“

Gezielte Anwerbung von Informanten über soziale Plattformen

„Ja, China betreibt eben das klassische Spionagegeschäft auch durch Anwerben von Informanten aller Art und das geschieht dann häufig über solche Recruiting-Portale“, sagte der Verfassungsschutzpräsident. Auf den Portalen würden Fake-Accounts angelegt, um Kontakte aufzunehmen. Meist gehe das so weit, dass Personen in Deutschland, die sich darauf einlassen, nach China eingeladen würden. Und dort werde dann weiter „angefüttert“ und Informationen abgefragt.
„Das sehen wir in einer zahlenmäßigen Dimension, die eben besorgniserregend ist und deshalb sprechen wir auch darüber.“
Dem fügte Innenminister Horst Seehofer hinzu: „Wenn China eine Firma aufkaufen möchte, die Komponenten für den Eurofighter herstellt, dann kann und muss es nach dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz versagt werden.“
Bei kritischen Infrastrukturen wie bei 5G-Leitungen müsse man schon überlegen, „wie wir uns auf gesetzlicher Grundlage […] im öffentlichen Interesse davor schützen können“. Insoweit erwarte die Bevölkerung, dass Risiken gesehen werden. Ohne den Dialog mit China abzubrechen oder dem Systemwettbewerb auszuweichen, müsse man anschauen, was dahinter stehe und wo man „im Interesse der Bundesrepublik Deutschland“ eingreifen muss, sagte Seehofer.

Überwachung der Bevölkerung über politische Stiftungen in Deutschland

Offizielle Kooperationen bestehen laut Verfassungsschutzbericht auch zwischen China und politischen Stiftungen in Deutschland. Diese würden auch als „Tarnung für Reisen“ nach Deutschland und meist in China genutzt werden sowie für die Kontaktaufnahme zu jungen Studenten, Diplomaten und Geschäftsleuten. Sensible Informationen werden demnach auch in chinesischen Think Tanks gesammelt – nicht zuletzt zur Vorbereitung von Cyberangriffen.
Die umfassend praktizierten Überwachungsmaßnahmen in China, die neben der einheimischen Bevölkerung auch den dort lebenden ausländischen Diplomaten, Studierenden, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und selbst Touristen gelten, würden dabei konkrete Anknüpfungspunkte für nachrichtendienstliche Operationen bieten. Insoweit wird im Verfassungsschutzbericht ausgeführt: „Seit Mai 2019 ist für Reisen nach China zudem online ein neues Formular zur Beantragung eines Visums auszufüllen. Im Vergleich zum vorherigen Formular werden damit erheblich mehr Informationen abgefragt“.
Und weiter: “Die nunmehr notwendigen Detailangaben erleichtern es den chinesischen Nachrichtendiensten, Personen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit interessantem Profil automatisiert aus der Masse von Antragstellern herauszufiltern.”
Auch das Sammeln von in Deutschland generierten Daten für Datenbanken chinesischer Sozialkredit-Systeme sei eine Informationsquelle. Chinesische und auch deutsche Staasangehörige können in Deutschland Bezahlsysteme von chinesischen Unternehmen wie Tencent (WeChat Pay) und Alibaba (Alipay) sowie andere Apps, Webdienste und Mobilitätsangebote nutzen. „Deren Datenserver stehen in China, der Zugriff staatlicher chinesischer Stellen darauf ist möglich“, heißt es im Bericht weiter.
Haldenwang erklärt: „Die Daten, die deutsche Kunden in einem solchen System hinterlegen, sind nicht sicher.“ Jeder Kunde in Deutschland, der dieses System benutzt, dürfe sich nicht wundern, wenn diese in Peking oder wo auch immer in China missbraucht werden. „Davor können wir nur warnen.“

Regimekritiker in Gefahr

Bekämpft werden vom chinesischen Regime alle oppositionelle Gruppen, die aus Pekings Sicht das Machtmonopol der Partei infrage stellen und die nationale Einheit bedrohen. Im Bericht heißt es: „Zu den von den chinesischen Behörden als ‚Fünf Gifte‘ bezeichneten Bewegungen zählen die nach Unabhängigkeit strebenden ethnischen Minderheiten der Uiguren und Tibeter, die regimekritische Falun-Gong-Bewegung, die Demokratiebewegung und die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit der Insel Taiwan“. Seit Sommer 2019 sind noch die Unterstützer der Demokratiebewegung in Hongkong dazugekommen.
Das seit dem 1. Juli 2020 geltende Sicherheitsgesetz ist ein weiterer Schritt der autoritären chinesischen Führung zu mehr Macht. Damit fiel in Hongkong auch die bis dahin geltende Regelung zur Sonderverwaltungszone. In Deutschland hat das Auswärtige Amt inzwischen eine Reisewarnung nach Hongkong ausgegeben. Es könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass deutsche Staatsbürger in Honkong von Maßnahmen des neuen Gesetzes betroffen sind.
Zwischen Hongkong und Deutschland gibt es ein Auslieferungsabkommen, sodass Regimekritiker über Hongkong nach China ausgeliefert werden könnten. Andere Länder haben bereits reagiert. Kanada hat sein Auslieferungsabkommen mit Hongkong zunächst aufgehoben. Auch Australien setzte sein Auslieferungsabkommen mit der chinesischen Sonderverwaltungszone aus.
Hier geht es zum kompletten Verfassungsschutzbericht 2019.

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