Massaker am 4. Juni 1989
Das letzte Wort über Tiananmen behält chinesischer Wissenschaftler und Dissident

Fang Lizhi, 12. Juni 1989.
Foto: AFP / Getty Images
Es sind nur noch vier Wochen bis zur Wiederkehr des 4. Juni, an dem sich viele Menschen an das Massaker in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens, dem Tiananmen-Platz, erinnern. Eine offene Wunde in der Geschichte Chinas. Deutschland-Ost erlebte im November 1989 seine friedliche Revolution und das Ende kommunistischer Herrschaft.
In China war es damals das Streben nach Wahrheit – nicht Politik –, das den chinesischen Akademiker Fang Lizhi antrieb, so sagt er in einer neu erschienenen posthumen Autobiographie. Dies sind seine letzten Worte über seine einflussreiche Rolle während einer Zeitperiode großer Anspannung, in der moderne chinesische Geschichte geschrieben wurde.
Fang und seine Frau befanden sich nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 über ein Jahr lang im streng gehüteten Asyl in der US-Botschaft in Peking. Fang stand an der Spitze der Fahndungsliste der Kommunistischen Partei Chinas und war wegen allerlei hinterhältiger politischer Verbrechen angeklagt worden.

Deng Xiaoping, der damalige Führer der Kommunistischen Partei sah Fang allerdings als ernste Bedrohung und einen Führer der „konterrevolutionären“ studentischen Aktivitäten.
Was auch immer seine Beweggründe waren, seine Vorstellung über Demokratie hatte zweifellos einen starken Einfluss auf die Studenten-Dissidenten und brachte ihn und seine Frau dazu, Asyl in der US-Botschaft zu suchen.
Am Tag der blutigen Niederschlagung in Peking gingen Fang und seine Frau auf Drängen von Freunden zur US-Botschaft, um Asyl zu beantragen. Auf Initiative des damaligen Präsidenten George W. Bush wurden sie zu „persönlichen Gästen“ für über ein Jahr.
Fang und seine Frau verbrachten fast 13 Monate in einem kleinen geheimen Raum der Botschaft, während hochrangige US-Beamte mit Parteiführern über ihre Ausreise verhandelten.
Während Henry Kissinger und Brent Scowcroft eine sichere Ausreise aus China verlangten, forderte Deng Xiaoping ein „Geständnis“ – welches, wie sich am Ende herausstellte, nur ein kleiner Teil dessen war, was Deng für Fangs Freilassung von den USA forderte und was die USA als übertrieben ablehnten.
Obwohl Fang sich nur innerhalb der Botschaft bewegen konnte, schrieb er weiterhin und veröffentlichte professionelle Arbeiten in Astrophysik und über Menschenrechte, über Chinas Vergangenheit und Zukunft und wie er das Versagen der Kommunistischen Partei sah.
Von seinem kleinen Zimmer aus stellte er eine Frage, die für Chinas Zukunft heute noch genauso entscheidend ist wie 1989: „Rechtfertigt Stabilität und Wirtschaftswachstum tödliche Gewalt wie beim Tiananmen Massaker? Ein elementares Prinzip der Menschenrechte steht hier auf dem Spiel: Sie können keine Gewalt anwenden, um das Leben einer Gruppe von Menschen zu zerstören (auch wenn es sich um eine Minderheit handelt), um den materiellen Interessen einer anderen Gruppe (wenn es auch eine Mehrheit ist) zu dienen.“
Fang und seine Frau gingen am 25. Juni 1990 in die Vereinigten Staaten ins Exil. Bis zu seinem Tod 2012 lehrte er Astrophysik an der Universität von Arizona.
Sein Buch wird diese Woche in Hong Kong veröffentlicht und mit ziemlicher Sicherheit in China verboten werden.
Originalartikel auf Englisch: Chinese Dissident Scientist Has Last Word on Tiananmen
Am frühen Morgen des 4. Juni 1989 griff die Befreiungsarmee des Volkes in Peking an und beendete die Demonstrationen für Demokratie auf dem Tiananmenplatz.
Die Rufe nach Beendigung der Korruption, Achtung vor den Menschenrechten, Etablierung eines Rechtsstaates und Einführung der Demokratie wurden in diesem Augenblick zum Schweigen gebracht.
Nach offiziellen Angaben betrug die Anzahl der Todesopfer Hunderte. Es wird allgemein angenommen, dass diese Zahl zu niedrig angegeben ist. Die wahre Anzahl der Todesopfer liegt vermutlich bei mehreren Tausend. Hinzu kommen Tausende, die verletzt und Tausende, die verhaftet wurden.
Die Behörden der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) vermeiden bis heute peinlichst dieses Thema.
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