Nicht nur Liebespaare haben es in der Corona-Krise schwer. Romantische Gefühle gelten derzeit nicht als “triftiger Grund”, um etwa die Grenze von Frankreich nach Deutschland zu überqueren. Auch das eigene Kind im Nachbarland zu sehen oder die pflegebedürftige Mutter, ist für viele Grenzgänger derzeit unmöglich.
In Deutschland wie Frankreich werden deshalb Rufe nach einer Lockerung der strikten Einreiseregeln laut. Kommende Woche soll erstmals ein neues Gremium beider Länder über Erleichterungen beraten.
“Öffnet die Grenzen!” heißt eine gemeinsame Online-Petition von Deutschen und Franzosen. Die am 16. März von der Bundesregierung verhängte Grenzschließung könne “großen Schaden für das deutsch-französische Verhältnis” anrichten, kritisiert der Mitinitiator Felix Bark, der den deutsch-französischen Master-Studiengang für Verwaltung und Wirtschaft (MEGA) absolviert hat.
“Viele Franzosen haben Angst, stigmatisiert zu werden”, erzählt Bark aus seinem Umfeld. Denn das Robert-Koch-Institut stufte das französische Grenzgebiet zu Deutschland schon früh als “Risikogebiet” ein.
Einkäufe, Rettungsdienste und Beleidigungen
Auch Christophe Arend fordert eine sofortige Öffnung der Grenze. Der französische Abgeordnete aus Forbach bei Saarbrücken nennt die Coronavirus-Pandemie einen “Crashtest für Europa”. Arend ist Ko-Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentarier-Versammlung mit je 50 Abgeordneten beider Länder, die durch den Aachener Freundschaftsvertrag vor einem Jahr entstanden ist.
Was Arend derzeit von Menschen aus der Saar-Mosel-Region hört, ärgert ihn zutiefst. So sei es völlig “absurd”, wenn 160 in Frankreich lebende Mitarbeiter einer Klinik in Saarbrücken wegen geschlossener Grenzübergänge Umwege von bis zu 50 Kilometern fahren müssten. “Sie sind ja bereits durch den Kampf gegen das Coronavirus erschöpft”, sagt Arend, der die Partei La République en Marche von Präsident Emmanuel Macron vertritt.
Pendlern werde es zudem verweigert, in Deutschland nach der Arbeit ihre Einkäufe zu machen, kritisiert Arend. Franzosen an der Grenze würden zum Teil beschimpft. Solche Berichte riefen kürzlich sogar Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf den Plan. Es tue “weh zu sehen, wie unsere französischen FreundInnen wegen #COVID-19 bei uns teils beleidigt und angegangen werden”, twitterte er.
In der Corona-Krise liegen die Nerven bei manchen blank. Auch Politiker aus Deutschland fordern rasche Erleichterungen für die betroffenen Bürger. “Als erstes brauchen wir eine Lockerung bei Kontakten auf menschlicher und familiärer Ebene”, sagt der CDU-Politiker Andreas Jung. In einem Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fordert der Südbadener gemeinsam mit zwei anderen CDU-Abgeordneten aus dem Grenzgebiet, dass sich etwa Lebenspartner “mit oder ohne Trauschein” wieder besuchen dürfen, die auf beiden Seiten der Grenze leben.
Andrang befürchtet: Wenn Montag in Deutschland viele Geschäfte öffnen
Zu den “triftigen Gründen” für die Einreise aus Frankreich, der Schweiz, Luxemburg und anderen deutschen Nachbarländern gehört seit dem 16. März zwar das Pendeln zum Arbeitsplatz oder der Transport von Waren. Für die Pflege eines Angehörigen oder den Besuch eines Kindes, das mit dem Ex-Partner jenseits der Grenze lebt, gibt es jedoch hohe Hürden.
Die Grünen-Sprecherin für Europapolitik, Franziska Brantner, plädiert für “Regelungen, die nachvollziehbar und menschlich sind”. Sie warnt allerdings: “Wenn wir nun zu schnell aufmachen und dann die Infektionszahlen wieder ansteigen, haben wir für die nächsten Jahre die Grenze zu”.
Einige fürchten einen Andrang an den deutschen Übergängen, wenn ab Montag viele Geschäfte wieder öffnen.
Eine Lösung soll der deutsch-französische Ausschuss für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit finden, der nach AFP-Informationen am Donnerstag erstmals in der Corona-Krise tagt. Das neu gegründete Gremium mit Vertretern der Regierungen und der Grenzregionen steht nun direkt vor seiner Bewährungsprobe. (afp)
{#gesichtsmasken}