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plus-iconLibertärer gewinnt Vorwahlen

Ein „Anarchokapitalist“ und Rocksänger als „Retter Argentiniens“

Argentiniens neuer Präsidentschaftskandidat bezeichnet „den Staat als Wurzel aller Probleme“. Bald könnte er die Gelegenheit haben, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Er selbst bezeichnet sich als „Anarchokapitalist“.

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In Argentinien hat der libertäre Javier Milei die Präsidentenwahl gewonnen.

Foto: Natacha Pisarenko/AP/dpa

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Lesedauer: 6 Min.

Seit Jahren befindet sich Argentinien, eines der größten Länder Südamerikas, in einem Zustand des finanziellen Bankrotts. Das Land, das unter einer Inflation von 115 Prozent stöhnt und sich seit Jahren auf die Hilfe vom Internationalen Währungsfonds stützt, steht vor einer Trendwende in der Politik. Der Gewinner der Vorwahlen vom 14. August ist ein Vertreter eines gänzlich neuen gesellschaftlichen Ansatzes.
Javier Milei (52) ist Wirtschaftswissenschaftler, Geschäftsmann und Parlamentsabgeordneter. Er will in der Tat neue Wege beschreiten: Er würde den argentinischen Peso sofort in Dollar umtauschen und „die Zentralbank mit Dynamit in die Luft jagen“.

Glauben an den freien Markt

Milei stellt sich den Staat als „Nachtwächter“ vor und glaubt an den freien Markt und die Eigenverantwortung des Einzelnen. Von vielen wird er mit Donald Trump verglichen. Er kam bei den Vorwahlen mit 30,5 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz.
Bei den Wahlen am 14. August standen 17 Präsidentschaftskandidaten zur Wahl. Jeder Bewerber, der bei den Vorwahlen mindestens 1,5 Prozent der gültigen Stimmen erhielt, darf bei den Wahlen am 22. Oktober antreten. Auf Seiten der konservativen Oppositionskoalition erreichten der Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta, und die ehemalige Innenministerin Patricia Bullrich den zweiten Platz. Sie kommen zusammen auf 28,27 Prozent der Stimmen. Die derzeitige peronistische Linksregierung erreichte mit 27,19 Prozent den dritten Platz.
Obwohl der Sieg von Milei weithin berichtet wird, war das Ergebnis doch ein ziemlich knapper erster Platz. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Wahlen im Herbst in zwei Runden entschieden werden und der nächste argentinische Präsident erst Ende November gekürt wird.

„Dynamit“ soll den neuen Weg Argentiniens ebnen

Weniger bekannt über Milei ist, dass er gerne Rocksongs singt und eher Lederjacke als Jackett trägt. In seinem Heimatland hat er sich als Fernsehpersönlichkeit einen Namen gemacht. Er ist bei der jüngeren Generation bekannt für provokante Reden, in denen er die Linke mit starken Worten kritisiert.
Zu seinem Programm gehören zahlreiche konservative oder rechte Positionen. Sein wichtigstes wirtschaftspolitisches Motto lautet: „Die Zentralbank mit Dynamit in die Luft sprengen.“
Die aktuelle linke Regierungspartei versucht erfolglos, mit dem Drucken von Geld durch die Zentralbank die Wirtschaftskrise im Land zu bewältigen. Diese Taktik hat zu einer Abwertung der Landeswährung geführt. Besonders beliebt ist daher der Teil von Mileis Programm, der vorsieht, den argentinischen Peso in Dollar zu tauschen und die Zentralbank für ihr Missmanagement der Krise „in Schutt und Asche zu legen“.
Die Klimakrise hält Milei für völlig aus der Luft gegriffen. Er ist gegen die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und gegen LGBTQ-Propaganda an Schulen. Wie die US-Konservativen würde er den privaten Waffenkauf erlauben. Einigen Presseberichten zufolge will er die Praxis der Organspende erlauben und vermarkten, um die Wartelisten für Transplantationen zu verkürzen.
Laut Analysten des Wirtschaftsportals „Mandiner“ könnte seine Kandidatur durch die Absicht erschwert werden, die öffentlichen Ausgaben deutlich zu senken.
So hat er zum Beispiel die Zusammenlegung der Ministerien für Bildung, Gesundheit und Soziales auf seine Agenda gesetzt. Die Analysten hinterfragen, ob die argentinischen Wähler finanzielle Stabilität zu diesem Preis haben wollen. Es sei auch unklar, ob seine Pläne die nötige Unterstützung im Kongress finden würden.

Umwandlung „auf die harte Tour“

Der in Ungarn geborene Lateinamerika-Wissenschaftler Gyula Nagy meint, dass die Pläne von Milei eine Umwandlung auf „die harte Tour“ sein werden. Doch die derzeitige Krise im Land sei so schlimm, dass „es keine Rolle mehr spielt, wie hoch der Zinssatz ist, weil niemand mehr sein Geld bei der Bank anlegt“.
Tatsächlich, so der Analyst, „spielt es keine Rolle mehr, ob die Bank von Argentinien noch Währungsreserven hat. Das Einzige, was für die argentinische Wirtschaft jetzt zählt, ist, wann die nächste IWF-Hilfstranche eintrifft, die mehr als vier Milliarden Dollar beträgt.“ Das sagte Gyula Nagy in einem Interview am 15. August.
Damit Mileis Pläne umsetzbar seien, müsste Nagy zufolge die Handelsbilanz im Land positiv sein. Außerdem seien genügend Devisenreserven notwendig, um im Falle einer Umstellung auf Dollar ausreichend Bargeld zur Verfügung zu haben.
Problematisch ist, dass Mileis Vizepräsidentschaftskandidatin Victoria Villarruel „auffallend freizügig“ über die Gräueltaten der Militärdiktatur spricht, die in Argentinien von 1976 bis 1983 herrschte. Ein großer Teil der Bevölkerung hat daran keine positive Erinnerungen, so die Analysten.
Obwohl die Wirtschaftskrise nicht zu leugnen ist, sieht Nagy immer noch ein sehr großes Potenzial im Land: „Argentinien kann mit seinen 60 Millionen Einwohnern Lebensmittel für etwa 300 Millionen Menschen erzeugen und dazu exportiert es noch Lithium, Erdgas und Öl.“
Die Regierungspolitik wird einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie intensiv das Land sein wirtschaftliches Leistungsvermögen ausschöpfen kann.
Was die politische Palette angeht, so könnte eine konservative oder rechte argentinische Regierung weltweit den Teppich für Links-Rechts-Kämpfe weiter ausrollen.

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