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Ex-Kreml-Jugendchef und Historiker: „Wir leben in der UdSSR, die jetzt den Namen Russland trägt”

Historiker Boris Jakemenko erklärt in einem Interview: Die UdSSR lebe in den Köpfen der meisten Bürger der heutigen Russischen Föderation, vor allem aber in jenen der Funktionseliten ungebrochen fort. Vor allem in der Kultur sei deren Zerfall nicht sichtbar.

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Basilius-Kathedrale in Moskau.

Foto: iStock

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Der frühere Chef der Kreml-treuen Jugendorganisation „Naschi“ („Die Unseren“), Boris Jakemenko, die in den 2000er Jahren gegründet wurde und bis 2013 bestanden hatte, erklärte gegenüber dem Magazin „Realist“, dass die Russische Föderation nicht nur Rechtsnachfolgerin der früheren Sowjetunion sei, sondern auch in ihrer Substanz deren Kontinuität verkörpere.
Der Historiker für Russische Geschichte an der Russischen Universität der Völkerfreundschaft in Moskau, der auch seit 2007 der Gesellschaftlichen Kammer angehört, hatte gemeinsam mit seinem Bruder Wassili die „patriotische“ Organisation geleitet, die nicht als offiziell anerkannter Jugendverband der Regierung oder der Partei „Einiges Russland“ gegolten hatte und „Farbrevolutionen“ gegensteuern sollte. Aufgelöst wurde die Vereinigung nach Klagen über Disziplinlosigkeiten, die dem eigenen Selbstbild zuwiderliefen, und Übergriffe auf politische Gegner.

Postsowjetische Staaten seien nicht existenzfähig

Jakemenko erklärte nun: „Wir leben in der UdSSR, die jetzt den Namen Russland trägt.“ Es sei entscheidend, dass man Russland als „post-sowjetisch“ begreife, denn „faktisch“ und in den Köpfen der Menschen in der Region sei „die Sowjetunion nie auseinandergefallen“.
Das gesellschaftliche Bewusstsein, die Einstellungen und die Sprache der Bevölkerung hätten sich durch ein paar Dokumente, die das formale Ende der Sowjetunion besiegelten, nicht geändert. Der Zerfall der Sowjetunion würde sich „auch in der Kultur nicht widerspiegeln“, meint Jakemenko.
Die Deklamationen zu „Freiheit und Unabhängigkeit“ aufseiten der Potentaten früherer Sowjetrepubliken seien bloße Lippenbekenntnisse – tatsächlich gälten sie „vermeintlichen sich selbst erhaltenden Staaten, die nicht existieren, nicht existiert haben und auch in der Zukunft nicht existieren werden“.
Auch die Sprache in offiziellen Dokumenten sei die gleiche geblieben. Die wesentlichen Begriffe seien solche wie „verbieten“, „erforderlich“, „absetzen“, „fordern“, „wachsen wir zehn Prozent“, „Wettrüsten“, „Sie sind gegen uns“ oder „wir sind die Friedfertigen, aber unsere Waffen sind die großartigsten“.

„Abgeordnete kennen nur Sozialismus als Organisationsform“

Wenn Präsident Wladimir Putin im Nationalitätenrat spreche, säßen dort Personen, die älter als 65 Jahre seien:
„Die UdSSR sitzt dort, Menschen, die keine anderen Formen und Wirkungsweisen kennen als die sowjetischen und die außer den sozialistischen nie irgendeine andere Form des Zusammenlebens gekannt haben.“
Dies alles bedeute, dass „die Sowjetunion am Leben ist“. Die heutigen Russen lebten in einer UdSSR, die heute einfach nur Russland heiße. „Übrigens: Alle soziologischen Umfragen bestätigen kontinuierlich genau das.“
Jakemenko hatte 2017 angekündigt, im darauffolgenden Jahr zu den Präsidentschaftswahlen kandidieren zu wollen. Von diesem Vorhaben hat er später wieder Abstand genommen.

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