Finanzchaos in Großbritannien
Neuer Finanzminister Hunt streicht „fast alle“ Steuerpläne
Ihre ehrgeizigen Finanzpläne sind begraben: Nachdem die Märkte verrückt gespielt hatten, vollzieht London die Kehrtwende. Einen Rückzug aus dem Amt hält Premierministerin Truss dennoch nicht für nötig.

Jeremy Hunt, neuer britischer Finanzminister, spricht vor der BBC mit der Presse.
Foto: Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/dpa
Der neue britische Finanzminister Jeremy Hunt nimmt das erst vor drei Wochen von der Regierung angekündigte Konjunktur- und Steuersenkungspaket fast vollständig zurück. Wie Hunt am Montag in einer Fernsehansprache sagte, werden “fast alle” Steuerpläne rückgängig gemacht.
Priorität für die Regierung habe vorerst die Wiederherstellung der “Stabilität”, sagte Hunt bei der Vorstellung von Eckpunkten seines neuen Haushaltsplans. Der Schatzkanzler wollte sich am Nachmittag (ab 16.30 Uhr MESZ) auch vor dem Parlament äußern. Der Haushaltsplan soll am 31. Oktober komplett stehen.
Sein Ministerium wolle auch überprüfen, ob ein kostspieliges Einfrieren der Gas- und Strompreise über diesen Winter hinaus beibehalten werden kann, kündigte Hunt weiter an. Nach der Überprüfung solle festgelegt werden, wie die Regierung die massiv gestiegenen Rechnungen für Strom und Gas “über April kommenden Jahres hinaus” subventionieren werde.
Die konservative Premierministerin Liz Truss hatte erst am Freitag den bisherigen Finanzminister Kwasi Kwarteng gefeuert und durch Ex-Außenminister Hunt ersetzt. Ein vor drei Wochen von Kwarteng angekündigtes Steuersenkungspaket hatte wegen einer drohenden hohen Staatsverschuldung für Unruhe an den Finanzmärkten gesorgt, die Zinsen für britische Staatsanleihen in die Höhe schießen und das Pfund einbrechen lassen.
Truss will auch nach demütigender Kehrtwende weitermachen
Premierministerin Liz Truss wollte sich am Montagabend mit Parlamentsabgeordneten treffen. Die Premierministerin steht seit Tagen massiv unter Druck. Ihr Steuersenkungspaket hatte zu Kopfschütteln und heftigem Unmut, auch in den Reihen der konservativen Regierungspartei geführt.
Das Paket, mit dem die Regierung das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die hohe Inflation dämpfen wollte, sah unter anderem eine Steuersenkung für Spitzenverdiener und ein kostspieliges Einfrieren der Gas- und Strompreise vor. Anleger fürchteten eine Anhäufung neuer Schuldenberge.
Truss nahm bereits die geplante Steuersenkung für Reiche zurück, sah sich aber weiter harscher Kritik und Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Doch auch nach einer demütigenden Kehrtwende bei so gut wie allen politischen Projekten will die britische Premierministerin im Amt bleiben. Ihr Fokus liege weiterhin darauf, „zu liefern“, sagte ein Regierungssprecher am Montag auf die Frage, ob Truss Konsequenzen aus ihrem Scheitern bei ihrer Steuerpolitik und der Deckelung der Energiepreise ziehen werde. Die konservative Regierungschefin (47) ist erst seit Anfang September im Amt. (afp/dpa/dl)
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