Pekings Sicherheitsgesetz für Hongkong: Konflikt zwischen London und Peking spitzt sich zu
Aus Protest gegen das neue Sicherheitsgesetz bietet die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien Millionen ehemaliger Untertanen in Hongkong die Einbürgerung an. China will sich dem Plan widersetzen.

Demonstranten protestierten gegen das Sicherheitsgesetz.
Foto: Alda Tsang/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa/dpa
Nach dem Erlass eines scharfen Gesetzes zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong ist ein heftiger Streit zwischen China und Großbritannien über den Umgang mit der einstigen britischen Kronkolonie entbrannt.
So stößt das Angebot des britischen Premierministers Boris Johnson, bis zu drei Millionen Hongkongern eine Einbürgerung in Aussicht zu stellen, in Peking auf heftigen Widerstand. Hongkong hat insgesamt 7,5 Millionen Einwohner.
370 Festnahmen bei Protesten gegen das Sicherheitsgesetz
Bei ungenehmigten Protesten gegen das Sicherheitsgesetz wurden in Hongkong mehr als 370 Personen festgenommen, wie die Polizei berichtete. Jedoch hatte Peking bei der Übergabe Hongkongs 1997 den Hongkongern und Großbritannien 50 Jahre freiheitliche demokratische Grundrechte garantiert, wozu auch die Versammlungsfreiheit zählt.
Nach Auskunft der Polizei in Honglong seien zehn Demonstranten wegen Verstößen gegen das neue Sicherheitsgesetzt in Haft genommen worden. Es war zum 23. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China am Mittwoch in Kraft getreten. Das weitreichende und vage formulierte Gesetz aus Peking richtet sich gegen Separatismus, Untergrabung der Staatsgewalt, Terrorismus und „geheime Absprachen“ mit chinafeindlichen Kräften im Ausland.
Britische Regierung bestellt den chinesischen Botschafter Liu Xiaoming in London ins Außenministerium
Aus Protest gegen das Gesetz bestellte die britische Regierung den chinesischen Botschafter Liu Xiaoming in London ins Außenministerium ein. Außenminister Dominic Raab warf der kommunistischen Führung in Peking vor, mit dem Gesetz die bisher garantierten Freiheiten in Hongkong zu strangulieren. „Das ist ein schwerwiegender und zutiefst beunruhigender Schritt“, sagte Raab im Parlament in London.
China sprach hingegen von einer Einmischung Großbritanniens in innere Angelegenheiten und widersetzt sich den britischen Plänen, Millionen Hongkongern die Einbürgerung zu ermöglichen. „Alle Landsleute, die in Hongkong wohnen, sind chinesische Staatsbürger“, hatte Außenamtssprecher Zhao Lijian schon zuvor betont.
Bislang können sich Bürger Hongkongs bis zu sechs Monate ohne Visum in Großbritannien aufhalten, wenn sie den Status eines British National Overseas (BNO) haben. Derzeit haben rund 350.000 Hongkonger einen solchen Ausweis. Theoretisch wären aber knapp drei Millionen Hongkonger berechtigt, einen derartigen Pass zu beantragen – und zwar alle die vor der Übergabe der Kronkolonie an China – am 1. Juli 1997 – geboren wurden. Sie sollen nach dem Angebot künftig sogar bis zu fünf Jahre in Großbritannien bleiben und arbeiten dürfen – mit Aussicht auf Einbürgerung. Etwa drei Millionen Menschen in Hongkong,
Peking betrachtet BNO-Pass nur als „Reisedokument“
Das chinesische Regime betrachtet den BNO-Pass allerdings nur als „Reisedokument“, das kein längeres Aufenthaltsrecht in Großbritannien ermöglichen dürfe. Das britische Angebot verstoße gegen Vereinbarungen zwischen Peking und London, wonach es kein Bleiberecht für Besitzer eines BNO-Passes geben solle, zitierte die staatliche chinesische Zeitung „Global Times“ einen Sprecher der chinesischen Botschaft in London.
Sollte die britische Seite darauf beharren, einseitig die betreffende Praxis zu ändern, wäre es eine Verletzung eingegangener Verpflichtungen und internationalen Rechts. Das britische Angebot an die Hongkonger stimme auch nicht „mit dem Geist der chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung“ für die Rückgabe der Kronkolonie an China überein, wurde der Sprecher zitiert.
Pekings Sicherheitsgesetz war in Hongkong und international auf scharfe Kritik gestoßen
Das neue Sicherheitsgesetz war in Hongkong und international auf scharfe Kritik gestoßen. Es gibt Chinas Staatssicherheitsorganen weitreichende Vollmachten in der eigentlich autonomen chinesischen Sonderverwaltungsregion. Obwohl den sieben Millionen Hongkongern beim Souveränitätswechsel 1997 Freiheitsrechte und Autonomie garantiert worden waren, können chinesische Staatssicherheitsorgane in Hongkong künftig eigenmächtig Ermittlungen ausführen und Rechtshoheit ausüben.
Der britische Premierminister Boris Johnson sah einen „deutlichen und ernsten Bruch“ der „Gemeinsamen Erklärung“ mit China über die Rückgabe Hongkongs. Das Gesetz verletze Hongkongs Autonomierechte und stehe im Widerspruch zum Grundgesetz der Sonderverwaltungszone, sagte Johnson. Es sieht als Höchststrafe lebenslange Haft vor, wendet sich auch gegen Ausländer und ermöglicht Auslieferungen nach Festlandchina mit seinen nicht rechtsstaatlichen Justizsystem, das sich weder an die eigene Verfassung noch an durch die chinesische Regierung unterzeichnete und ratifizierte internationale Konventionen hält. (dpa/er)
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.