Polen schlägt Gesetzesentwurf zum Schutz der Meinungsfreiheit im Internet vor
Polen will nach der jüngsten Zensurpolitik von Big Tech Gesetze zum Schutz der Meinungsfreiheit im Internet einführen. Premierminister Morawiecki begründete die Entscheidung: Die Polen haben staatliche Zensur während der 45-jährigen kommunistischen Herrschaft am eigenen Leib erfahren. "Deshalb sind wir so besorgt über jeden Versuch, die Freiheit einzuschränken."
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Dieses Illustrationsbild zeigt Logos von Social-Media-Anwendungen von Linkedin, YouTube, Pinterest, Facebook, Instagram und Twitter auf einem Smartphone in Arlington, Va. am 28. Mai 2020.
Polens Premierminister Mateusz Morawiecki hat angekündigt, dass Polen Gesetze zum Schutz der Meinungsfreiheit im Internet einführen wird. Gleichzeitig prangerte er Big Tech an, weil sie die freie Meinungsäußerung auf Social-Media-Plattformen unterdrücken. Die Kritik kam, nachdem prominente Social-Media-Unternehmen die Konten von Präsident Donald Trump auf Twitter, Facebook und Instagram gesperrt hatten.
Morawiecki schrieb am Mittwoch auf Facebook, dass das Internet von internationalen Konzernen dominiert wird, die die Online-Aktivitäten der Menschen als Einnahmequelle und Werkzeug zur Vergrößerung ihrer Macht behandeln. “Sie haben auch ihre eigenen Standards der politischen Korrektheit eingeführt, und sie bekämpfen diejenigen, die sich ihnen widersetzen”, so der Premierminister weiter.
“Die Diskussion besteht im Austausch von Meinungen, nicht darin, Menschen zum Schweigen zu bringen. Wir müssen nicht mit dem einverstanden sein, was unsere Gegner schreiben, aber wir können niemandem verbieten, Ansichten zu äußern, die nicht gegen das Gesetz verstoßen”, so Morawiecki.
Polen werde laut seiner Aussage entsprechende nationale Gesetze verabschieden, um den Betrieb von Facebook, Twitter, Instagram und anderen ähnlichen Plattformen zu regulieren.
Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki spricht am 27. Januar 2020 bei einem Konzert zum 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz in Berlin.
Foto: Wenzel – Pool/Getty Images
Polen hat staatliche Zensur während kommunistischer Herrschaft erlebt
“Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Auch im Internet gibt es keine Toleranz für Zensur und kann es auch nie geben”, sagte Morawiecki.
Die Polen hätten die staatliche Zensur während der 45-jährigen kommunistischen Herrschaft am eigenen Leib erfahren, in der ihnen gesagt wurde, was sie denken und was sie nicht denken, sagen oder schreiben durften, so der Premierminister weiter. “Deshalb sind wir so besorgt über jeden Versuch, die Freiheit einzuschränken.”
Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro kündigte auf einer Pressekonferenz im Dezember an, dass sein Ministerium an einem Vorschlag für neue Regelungen zum Schutz der Meinungsfreiheit im Internet sowie zum Schutz der Menschen in sozialen Medien vor falschen Informationen arbeite.
Die vorgeschlagene Gesetzgebung würde Social-Media-Plattformen daran hindern, Beiträge zu löschen oder Benutzerkonten nach eigenem Ermessen zu sperren, wenn der dort gepostete Inhalt nicht gegen polnisches Recht verstößt, sagte der stellvertretende Justizminister Sebastian Kaleta in einer Erklärung.
Wenn der Inhalt des Nutzers entfernt oder das Konto gesperrt wird, hätte der Nutzer das Recht, eine Beschwerde bei der Social-Media-Plattform einzureichen, sagte Kaleta. Eine Beschwerde könnte auch bei einem Social-Media-Netzwerk eingereicht werden, wenn ein Beitrag gegen polnisches Recht verstößt. Der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit, die Sperrung zu beantragen.
In beiden Fällen müsse die Plattform die Beschwerde innerhalb von 48 Stunden lösen, heißt es in der Erklärung. Wenn der Nutzer mit der Lösung nicht zufrieden ist, hat er das Recht, sich an ein neues spezialisiertes Gericht für den Schutz der Meinungsfreiheit zu wenden. Das Gericht wird verpflichtet sein, den Fall innerhalb von sieben Tagen zu prüfen und das Verfahren wird vollständig elektronisch ablaufen.
Vergleich mit Frankreich und Deutschland
Der Vorschlag sieht auch eine “blinde Klage” vor, die von jedem eingereicht werden kann, dessen Persönlichkeitsrechte im Internet von einer unbekannten Person verletzt werden, heißt es in der Erklärung. Der Kläger muss dem Gericht nur die URL (Website-Adresse) der Seite, auf der der beleidigende Inhalt veröffentlicht wurde, und den Benutzernamen oder die Benutzerkennung angeben.
Die vorgeschlagene Lösung wurde mit den Regelungen zur Sprachregelung im Internet in Frankreich und Deutschland verglichen. Die Regelungen in diesen Ländern konzentrieren sich “auf die schnelle Entfernung von Inhalten, die als Verstoß gegen das Gesetz eines bestimmten Landes angesehen werden, und nicht dem Schutz der freien Meinungsäußerung unterliegen”, heißt es in der Erklärung. In Deutschland beispielsweise kann eine Social-Media-Seite, die gegen das Gesetz verstößt, mit einer saftigen Geldstrafe belegt werden, und der Justizminister entscheidet, ob ein Post gegen das Gesetz verstößt.