
Proteste, Militär und Kriegsrecht: Wie Südkorea in die politische Krise geriet
Südkorea steht vor einer der schwersten innenpolitischen Krisen seiner Geschichte: Präsident Yoon Suk Yeol hat erstmals seit Jahrzehnten das Kriegsrecht ausgerufen. Das Parlament stimmt mit 190 zu 0 gegen die Maßnahme. Die Armee macht deutlich: Nur der Präsident kann diese rückgängig machen.

Menschen versammeln sich vor der Nationalversammlung in Seoul.
Foto: Ahn Young-joon/AP/dpa
In Südkorea hat sich die innenpolitische Lage am Dienstag, 3.12., gefährlich zugespitzt. Präsident Yoon Suk Yeol hat erstmals seit 1980 das Kriegsrecht ausgerufen. Wie das Verteidigungsministerium des Landes mitteilt, ist die Armee mobilisiert worden. Vor dem Gebäude der Nationalversammlung in Seoul waren Truppen aufmarschiert. Es kam bereits zu gewalttätigen Zusammenstößen mit Demonstranten.
Einem Bericht der „Sun“ zufolge hatte die Armee alle Aktivitäten im Parlament und alle parteipolitischen Aktivitäten untersagt. Aufnahmen zeigten, wie schwer bewaffnete Sicherheitskräfte sich vor dem Eingang postiert haben und Personen am Betreten des Gebäudes hindern. Auch Militärhubschrauber kreisten über dem Regierungsviertel.
Opposition in Südkorea verfügt über knappe Mehrheit im Parlament
Dennoch ist es dem Parlament offenbar gelungen, eine reguläre Sitzung abzuhalten. Auf X machen Bilder die Runde, die Zivilisten zeigen, wie sie Abgeordneten helfen, über den Zaun auf das Parlamentsgelände zu gelangen.
Mittlerweile haben die anwesenden Abgeordneten mit 190 zu 0 Stimmen eine Aufhebung des Kriegsrechts beschlossen. Das südkoreanische Parlament zählt 300 Abgeordnete. Die Armee soll sich daraufhin wieder zurückgezogen haben. Auf den Straßen der Stadt haben sich tausende Personen zu Kundgebungen gegen das Kriegsrecht versammelt.
Präsident Yoon beschuldigt die Opposition der Schaffung von Chaos
Wie die nächsten Schritte des Präsidenten aussehen werden, ist noch ungewiss. Er hatte das Kriegsrecht in einer Situation ausgerufen, in der die Opposition den von ihm vorgelegten Haushalt massiv zusammengestrichen hatte. Diese verfügt im Parlament seit April 2024 über eine knappe Mehrheit.
Yoon warf den Abgeordneten der Opposition vor, eine „legislative Diktatur“ errichten zu wollen. Sie lähme das juristische und administrative System lähmen und wolle „unsere liberale demokratische Ordnung stürzen“. Der Präsident verwies unter anderem darauf, dass die Opposition seit dem Mehrheitswechsel Dutzende Amtsenthebungsverfahren gegen Beamte aus Justiz und Verwaltung durchgeführt habe. Allein 22 Staatsanwälte seien davon betroffen gewesen.
Die Streichungen bei den Kernaufgaben des Staates beträfen in erster Linie Mittel zur Bekämpfung der Drogenkriminalität und der öffentlichen Ordnung. Damit mache die Opposition zum „Zufluchtsort für Kriminelle“. Es drohe ein „Zustand des Chaos bei der öffentlichen Sicherheit“.
Die Armee betrachtet den Parlamentsbeschluss als unwirksam
Präsident Yoon Suk Yeol beschuldigt die Opposition, die Regierung gezielt „lähmen“ zu wollen – und dabei auf die Bevölkerung keine Rücksicht zu nehmen. Er erhob indirekt die Anschuldigung, die Demokratische Partei, die im Parlament über die Mehrheit verfügt, stehe mit dem kommunistischen Nordkorea im Bunde.
Das Kriegsrecht sei daher eine erforderliche Maßnahme, um das Land vor der Bedrohung zu schützen, die vom Norden ausgehe. Um „ein liberales Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen zu schützen und um antistaatliche Elemente zu eliminieren“, habe er sich zu dem Schritt entschlossen. Dies äußerte Yoon in einer Fernsehansprache. Er werde „das Land zur Normalität zurückführen“.
Mittlerweile hat die Führung der Armee mitgeteilt, dass sie das Kriegsrecht als aufrecht betrachte, bis der Präsident dessen Aufhebung verkünde.
Source: Washington Post, citing YTN
— Clash Report (@clashreport) December 3, 2024
Was das Kriegsrecht für Südkorea bedeuten könnte
Welche konkreten Maßnahmen mit dem Kriegsrecht verbunden sein sollen, ist noch nicht bekannt. Mögliche Schritte bestehen beispielsweise in der Einschränkung politischer Aktivitäten bis hin zur Auflösung der Nationalversammlung. Während des Kriegsrechts der 1980er Jahre wurden auch Oppositionspolitiker inhaftiert und Universitäten geschlossen.
Während die militärische Präsenz im öffentlichen Leben stärker wurde, kam es zu Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und einer verschärften Kontrolle der Medien.
Worauf Präsident Yoon seine Darstellung, die Opposition agiere im Auftrag Nordkoreas, stützt, ist noch unklar. Fest steht, dass die Spannungen zwischen den beiden Landesteilen in jüngster Zeit massiv zugenommen haben.
Kim Jong-un drohte nach Drohnensichtung mit Krieg
Nordkorea hat in den vergangenen Monaten vermehrt Raketentests durchgeführt. Darunter waren auch solche von strategischen Marschflugkörpern mit „supergroßen Sprengköpfen“. Zudem hat Pjöngjang zehntausende Landminen entlang des Grenzgebiets zu Südkorea verlegt. Auch rief Machthaber Kim Jong-un seine Armee dazu auf, Kriegsvorbereitungen zu „vollenden“. Nach einem Eklat rund um gemeldete Drohnensichtungen in Grenznähe drohte Kim dem Süden mit einer „furchtbaren Katastrophe“.
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