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Raketeneinschlag in Polen

„Schlechter Stil“: Waffenexperte kritisiert Selenskyj für unzutreffende Raketen-Story

Ukraine-Präsident Selenskyj hält an seiner Version zum Raketen-Einschlag in Polen fest. Ein Experte der Bundeswehr-Führungsakademie widerspricht ihm.

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„Solange die Untersuchung nicht abgeschlossen ist, können wir nicht mit Sicherheit sagen, welche Raketen oder deren Teile auf polnisches Hoheitsgebiet gefallen sind“: Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Foto: Ukraine Presidency/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

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Lesedauer: 4 Min.


Als „kompletten Schwachsinn“ bezeichnet ein Experte der deutschen Luftwaffe Darstellungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum Raketeneinschlag am Dienstag (16.11.) in Polen. Der deutsche Luftwaffen-Experte Ralph D. Thiele vom „Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung“ (ISPSW) wirft diesem im „Focus“ einen „schlechten Stil“ vor. Statt weiter am Narrativ von einem „russischen Angriff“ festzuhalten, solle Selenskyj eine Entschuldigung an Polen richten.

Selenskyj berief sich auf „eigene Militärquellen“

Unter Berufung auf Informationen aus seiner eigenen Armee hielt der ukrainische Staatschef auch am Mittwoch an der These fest, Russland habe bewusst ein polnisches Dorf angegriffen. Infolge des Raketeneinschlags kamen zwei polnische Familienväter im Alter von 50 und 60 Jahren ums Leben.
Als Selenskyj mit seinen Aussagen vor die Presse trat, hatten westliche Unterstützer der Ukrainer einen russischen Angriff bereits als Ursache ausgeschlossen. US-Präsident Joe Biden, Polens Präsident Andrzej Duda und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatten sich unabhängig voneinander geäußert.
Sie bestätigten zwar, dass die Rakete, die in Przewodów eingeschlagen war, russischer Bauart gewesen sei. Allerdings sei das S-300-System, dem sie zuzurechnen war, in zahlreichen Staaten im Einsatz, darunter auch in der Ukraine. Es deute alles darauf hin, dass sich eine ukrainische Luftabwehrrakete über die Grenze verirrt habe. Diese Ansicht hatte „Cicero“ zufolge auch der polnische Generalstab zeitnah nach Bekanntwerden des Vorfalls geäußert.

NATO konnte Flugbahn präzise nachvollziehen

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnete diese Darstellung ebenfalls noch am Mittwoch als „von Russland gesteuerte Verschwörungstheorie“. Der frühere Luftwaffen-Oberst Thiele hingegen erklärt, die NATO verfolge ballistische Bewegungen von Flugabwehrraketen in Europa „zentimetergenau“.
Dazu habe sie Radar- und Satellitensysteme sowie AWACS-Aufklärungsflugzeuge. Mit Blick auf die in den Vorfall vom Dienstag involvierte Rakete bedeute dies:
„Flugbahn, Abschuss- und Detonationsort lassen sich damit lückenlos und äußerst genau nachvollziehen.“
Es sei zwar grundsätzlich eine „lässliche Sünde“, dass Kriegsparteien Propaganda in ihrem Sinne betrieben und sich die Wahrheit zurechtbögen. Dies würden etwa auch Russen und Amerikaner so handhaben.

Oberst a. D. Thiele: „Selenskyj soll sich bei Polen entschuldigen“

Selenskyj, so Thiele, biege sich hier jedoch „die Wahrheit auf eine Art und Weise zurecht, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat“. Das sei „schlicht schlechter Stil“, insbesondere mit Blick auf die potenziellen sicherheitspolitischen Folgen.
Ein gezielter russischer Angriff auf das Territorium eines NATO-Staates hätte wahrscheinlich den Bündnisfall nach Artikel 5 von deren Statut ausgelöst. Dies hätte wohl einen direkten Krieg zwischen Russland und der NATO zur Folge gehabt. Die Ukraine solle ihr Gebaren gründlich überdenken, meint Thiele:
„An diesem Punkt ist als Reaktion für den ukrainischen Präsidenten nur eine einzige Sache angemessen – und zwar sich bei den Polen für den ukrainischen Irrläufer zu entschuldigen.“

Ließ die Ukraine die Rakete absichtlich einschlagen?

Russland hatte schon am Dienstag Behauptungen, seine Armee habe das polnische Dorf angegriffen, zurückgewiesen. Der Kreml sprach demgegenüber von einer gezielten Provokation. Die Ukraine habe demnach Przewodów gezielt mit einer S-300-Rakete angegriffen, um Russland den Angriff in die Schuhe zu schieben.
Diese These fand weitere Nahrung, als bekannt wurde, dass die Rakete ihr Ziel, einen anfliegenden russischen Marschflugkörper, verfehlt habe. Es wäre demnach, so der „exxpress“, davon auszugehen gewesen, dass die Rakete sich selbst zerstören würde. Dem „Business Insider“ zufolge hätte die ukrainische Luftabwehr sie auch per Fernsteuerung dazu bringen können.
Dass dies vorsätzlich verabsäumt worden sei, äußere man in NATO-Kreisen „hinter vorgehaltener Hand“, schreibt „exxpress.at“. Offiziell heißt es aus dem Bündnis jedoch, die ukrainische Luftwaffe habe es „übersehen“, dass die Rakete ihr Ziel verfehlt habe. Immerhin sei sie mit einem massiven russischen Angriff auf die Infrastruktur der Westukraine beschäftigt gewesen. So blieb der Vorfall „ein tragischer Unfall“.

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