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Wahljahr

AfD als Verdachtsfall? Verfassungsschutz gibt offenbar Stillhalteerklärung ab

Das Bundesamt für Verfassungsschutz will in der Frage einer möglichen Einstufung der AfD als Verdachtsfall vorerst keine öffentlichen Erklärungen abgeben. Die Partei hatte zuvor vor dem Verwaltungsgericht Köln mehrere Klagen und Anträge eingereicht.

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AfD-Vostandsmitglied. Tino Chrupalla. Symbolbild.

Foto: Jens Schlueter/Getty Images

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Lesedauer: 6 Min.

Noch in dieser Woche, so hatten Medien berichtet, wollte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu der Frage äußern, ob der Inlandsgeheimdienst die AfD künftig insgesamt als Verdachtsfall im Sinne verfassungsfeindlicher Bestrebungen einstufen werde.
Wie es nun am Montag, 25. Januar, aus dem Amt gegenüber der „AFP“ hieß, wolle man sich zu dieser Frage bis auf Weiteres nicht mehr äußern. In einer Erklärung des Amtes hieß es:
„Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußern wir uns in dieser Angelegenheit nicht öffentlich.“

AfD will auch gegen Angaben über „Flügel“-Mitglieder vorgehen

Zuvor hatte die Partei beim Verwaltungsgericht Köln zwei Klagen und zwei Eilanträge eingereicht. Zum einen will die AfD dem Gericht zufolge verhindern, dass das BfV die Partei zum Verdachtsfall hochstuft und dies öffentlich bekannt macht. Eine offizielle Einstufung dieser Art hätte zur Folge, dass der Inlandsgeheimdienst berechtigt wäre, auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln, beispielsweise über den Einsatz von V-Leuten, Informationen über die Partei zu beschaffen.
Zum anderen will die AfD gegen die Darstellung des Verfassungsschutzes vorgehen, die bereits als Verdachtsfall eingestufte Vereinigung „Der Flügel“ hätte mehrere tausend Mitglieder gehabt. Das Netzwerk wurde durch den Thüringer Landeschef Björn Höcke und den mittlerweile aus der Partei ausgetretenen früheren Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, gegründet.
Im Frühjahr 2020 verkündete Höcke die Auflösung des „Flügels“. Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang geht jedoch von einem lediglich taktisch motivierten Manöver aus und hält die Strukturen des Netzwerks immer noch für existent. Die Anhänger würden abgestimmt und geschlossen agieren, um ihren Einfluss in der Partei zu maximieren.

Haldenwang will Rückschlag wie in „Prüffall“-Causa verhindern

Dass der Verfassungsschutz sich nun vorerst nicht mehr äußern will, zumindest solange vor dem Verwaltungsgericht Köln ein Verfahren anhängig ist, deutet der „AFP“ zufolge darauf hin, dass die Behörde vor Gericht eine Stillhalteerklärung abgegeben hat.
Dies bestätigte auch eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums in Berlin. Im Jahr 2019 hatte das BfV einen Rückschlag vor ebendiesem Gericht hinnehmen müssen, nachdem Haldenwang mit der öffentlichen Einstufung der Partei als „Prüffall“ vorgeprescht war.
Damals hatte Haldenwang ein Gutachten vorgelegt, das die dafür erforderlichen Anhaltspunkte aufführen sollte. Zudem wurde die Einstufung der Vereinigungen „Der Flügel“ und „Junge Alternative“ als Verdachtsfälle begründet.
Allerdings gab das VG Köln einem Eilantrag der Partei auf Unterlassung der Nennung als „Prüffall“ statt, da eine solche Kategorisierung keine Rechtsgrundlage im § 16 Abs. 1 BVerfSchG finde.
Da mit der Mitteilung und insbesondere der damit verbundenen Stigmatisierung ein erheblicher Eingriff in die Rechte der AfD verbunden wäre, sei diese rechtswidrig und unverhältnismäßig.

Verfassungsschutz will ausreichend Material gesammelt haben

Vor knapp zwei Wochen berichtete der „Tagesspiegel“, mittlerweile habe Haldenwang mehr als 3.000 Seiten an Material gesammelt, die eine Radikalisierung der AfD belegen sollen.
Der Verfassungsschutz-Chef habe demzufolge ausreichend Belege über völkisch-nationalistische, muslimfeindliche und andere fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen von Parteifunktionären und weiteren Mitgliedern zusammengetragen, die mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar seien, dass es für eine Einstufung als Verdachtsfall ausreiche.
Die Kanzlei Höcker hat, wie das Portal „LTO“ berichtet, am Donnerstag zwei Klagen der AfD – verbunden mit jeweils einem Antrag auf einstweilige Anordnung – eingereicht. Neben Klagen und Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz wolle die AfD kurzfristig auch Zwischenentscheidungen des Gerichts bezüglich der geplanten Hochstufung zum bundesweiten Verdachtsfall erzwingen.

Einstufung als Verdachtsfall hätte Stigmatisierungswirkung im Wahljahr

In einer möglichen, öffentlich bekanntgemachten Einstufung als Verdachtsfall im unmittelbaren Vorfeld mehrerer Landtagswahlen und der Bundestagswahl sieht sich die Partei in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt.
Ein Schritt dieser Art hätte eine „negative Abschreckungswirkung“ und würde einen Stigmatisierungseffekt in der Öffentlichkeit bewirken. Außerdem hätten es Städte und Gemeinden im Fall einer Einstufung als Verdachtsfall leichter, der Partei die Nutzung kommunaler Infrastruktur wie etwa Tagungsräumlichkeiten zu verweigern.
Zudem drohten „unzumutbare Nachteile“ etwa in Form des Verlustes von Mitgliedern vor allem aus dem öffentlichen Dienst oder ein Rückgang finanzieller Mittel aus Beiträgen, Spenden und staatlicher Parteienfinanzierung.

Geld für parteinahe Stiftung der AfD wäre möglicherweise ebenfalls in Gefahr

Möglicherweise könnte eine Einstufung als Verdachtsfall im Sinne des BVerfSchG auch Versagungsgründe bezüglich der Mittel für parteinahe Stiftungen begründen, die auch der AfD im Fall eines Wiedereinzugs in den Bundestag zustünden.
Im Jahr 1998 wurde beispielsweise den Republikanern die Gründung einer Stiftung mit der Begründung verwehrt, deren Zweck richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung – was einem gemeinnützigen Zweck zuwiderlaufe.
Die der AfD drohenden Nachteile seien jedenfalls, so heißt es in dem Schriftsatz, „äußerst schwerwiegend, da die gezielte Einflussnahme zulasten von politischen Parteien einen massiven Eingriff in die grundgesetzliche Konzeption des Art. 21 GG darstellt und die Grundpfeiler des demokratischen parlamentarischen Rechtsstaates infrage stellt“.
(Mit Material der AFP)

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