Ist die Lage der deutschen Wirtschaft infolge der Corona-Krise so schlecht, dass selbst der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nach staatlicher Kapitalbeteiligung ruft?
Geschäftsführer Martin Wansleben hat laut
„Welt“ zumindest die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen als kritisch genug eingeschätzt, dass dieses für eine marktwirtschaftliche Ordnung höchst untypische Instrument in einigen Fällen zum Thema werden könne.
Wann gibt EU-Kommission grünes Licht für Wirtschaftsstabilisierungsfonds?
Wenn im Herbst in zahlreichen Fällen angeschlagener Betriebe Gläubiger und Betroffene in Verhandlungen treten werden, um über Wege zu verhandeln, einer Insolvenz zu entkommen, werde diese von der Bundesregierung ins Treffen geführte Option „zur Rettung von Unternehmen dringend gebraucht“, meint Wansleben. Allerdings, so der DIHK-Geschäftsführer, sollten neben dem Staat auch private Kapitalgeber die Möglichkeit bekommen, sich über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) an Unternehmen zu beteiligen.
Noch ist das im März von der Bundesregierung geschaffene und von Bundestag und Bundesrat abgesegnete Instrument nicht einmal in trockenen Tüchern.
Der WSF, dessen Ziel es ist, „Liquidität und Solvabilität von Unternehmen zu gewährleisten, die vor der Corona-Pandemie gesund und wettbewerbsfähig waren“, und der ergänzend neben geplante Sonderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) treten soll, muss noch von der EU-Kommission genehmigt werden. Diese lässt bis dato keine Eile in dieser Sache erkennen.
DIHK-Umfrage: 39 Prozent sehen erst 2021 Erholung
Dabei wäre ein zügigeres Vorgehen vonnöten. Der DIHK geht von 40 Prozent Unternehmen in Deutschland aus, die unter Liquiditätsengpässen leiden.
Der WSF, so Wansleben, sollte aber nicht allein größeren Unternehmen zugänglich sein. Wichtig wäre es auch, zumindest einige mittelständische Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitern einzubeziehen.
„Der Wettlauf ums Eigenkapital wird für viele Betriebe überlebenswichtig werden“, meint der DIHK-Geschäftsführer. Entscheidend für die Zukunft der exportorientierten deutschen Wirtschaft sei jedoch die Erholung des europäischen Binnenmarktes.
Die „Welt“ zitiert zwei Stimmungsbarometer, die ein durchwachsenes Bild der Lage der deutschen Wirtschaft abgeben. Eine relative Mehrheit von 39 Prozent aller vom DIHK anlässlich einer Konjunkturumfrage befragten Unternehmen in Deutschland rechnet erst 2021 wieder mit einer Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit.
Wirtschaft wird 2020 möglicherweise zweistellig schrumpfen
Lediglich 17 Prozent sind wieder oder gar nach wie vor voll ausgelastet, weitere 17 Prozent hoffen, spätestens bis Ende des Jahres wieder zur Normalität zurückgefunden zu haben. Allerdings sagen elf Prozent, dies werde erst nach 2021 der Fall sein, fünf Prozent rechnen gar nicht mehr mit einer Normalisierung. Umsatzeinbußen zwischen 25 und 50 Prozent erwarten 22 Prozent der befragten Unternehmen, 21 Prozent gar solche von 50 Prozent und mehr.
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat eine Umfrage durchgeführt, die Zielpersonen waren in 31 Branchenverbänden zu finden. In allen Branchen sei die Konjunktur eingebrochen, anders als bei früheren Kreisen sei neben der Industrie auch der Dienstleistungssektor betroffen.
Anzeichen für eine schnelle Erholung seien nicht zu erkennen, 55 Prozent der Unternehmen hätten in der Krise entschieden, ihre Investitionen zurückzuschrauben.
Der von der Bundesregierung bislang erwartete V-Verlauf der Konjunktur, also eine rasche Erholung der Wirtschaft nach dem historischen Einbruch im Frühjahr, ist nach Einschätzung des DIHK damit endgültig „vom Tisch“.
Auch was das Wachstum insgesamt anbelangt, ist nach Meinung Wansleben ein Minus von 6,3 Prozent, von dem die Koalition ausgeht, zu optimistisch geschätzt. Der DIHK rechnet mit einer Schrumpfung von zehn Prozent.