Bundesverfassungsgericht stoppt Ratifizierung
Europastaatsminister sieht EU-Corona-Hilfsfonds nach Stopp des Bundesverfassungsgerichts nicht in Gefahr

Europastaatsminister Michael Roth (SPD).
Foto: Carsten Koall/Getty Images
Europastaatsminister Michael Roth (SPD) sieht das Gesetz zum Corona-Hilfsfonds der EU nach dem vorläufigen Stopp durch das Bundesverfassungsgericht nicht gefährdet.
“Bundestag und Bundesrat sind mit einer zügigen Ratifizierung und jeweils breiten Mehrheiten ihrer Verantwortung für Europa gerecht geworden”, sagte Roth der Nachrichtenagentur AFP.
Der Bundesrechnungshof hatte sich zuvor kritisch zum Eigenmittbeschluss geäußerte und mehrere Bedenken formuliert.
Roth zuversichtlich zu Bundesverfassungsgericht-Urteil
Der Schritt sei zuvor “verfassungs- und europarechtlich sehr intensiv geprüft” worden. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sehe er deshalb “zuversichtlich” entgegen, so Roth.
Bundestag und Bundesrat hatten vergangene Woche den Weg für den sogenannten Eigenmittelbeschluss zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren EU-Hilfsfonds freigemacht.
Das Bundesverfassungsgericht stoppte am Freitag dann aber per einstweiliger Anordnung den Abschluss des Ratifizierungsprozesses, indem es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst die Unterzeichnung verwehrte.
Hintergrund sind offenbar Klagen gegen das Vorhaben, das eine Aufnahme gemeinsamer EU-Schulden in bisher beispielloser Höhe vorsieht.
SPD unterstützt das Konzept einer EU-Fiskalunion
“Ich unterstütze genauso wie meine Partei, die SPD, das Konzept einer Fiskalunion”, betonte Roth. Er sieht eine “bisweilen sehr ideologisch” geführte Debatte.
“Wer von einer ‘Schuldenunion’ spricht, unterstellt, dass die EU wie ein Staubsauger Milliarden und Abermilliarden Euro aufsaugt”, kritisierte der Europastaatsminister.
Mit dem Corona-Hilfspaket werde die EU “nicht zum Finanzmoloch”, da es in der EU keine haushalterischen Entscheidungen gebe, “ohne dass der Rat einstimmig und das Europäische Parlament mehrheitlich zustimmen müssen”.
Den Eigenmittelbeschluss bezeichnete Roth als “gelebte Solidarität im gemeinsamen Interesse aller in Europa”. Die Mittel müssten nun so schnell wie möglich bei den Menschen und Branchen ankommen, bei denen sie am dringendsten gebraucht würden.
BRH: Mitgliedstaaten können sich theoretisch unbegrenzt verschulden
Der Bundesrechnungshof hingegen äußerte mehrere Bedenken. Es sei unklar, “wer wann welchen Beitrag leistet”, so der Bundesrechnungshof.
“Faktisch handelt es sich um eine Vergemeinschaftung von Schulden und Haftung” und um einen “organisierten schuldenfinanzierten Transfer” innerhalb der EU.
Auf EU-Ebene könnten sich die Mitgliedstaaten theoretisch unbegrenzt verschulden – und sich diese Gelder anschließend als Zuschüsse zuweisen. Grund dafür ist, dass die staatlichen Fiskalregeln nur die nationalen Defizite und Schulden begrenzen.
In Krisenzeiten zeige sich, dass die auf EU-Ebene eingeführten Instrumente stetig fortgeführt würden. Diese Gefahr bestünde auch hier. “Auf Dauer wäre ein Wiederaufbaufonds nicht gerechtfertigt”, so der Bundesrechnungshof.
Die Experten wiesen auch deutlich darauf hin, dass ein verbindlicher Tilgungsplan aufgestellt werden sollte.
Fest stünde bereits: Deutschland zahlt mindestens 65 Milliarden Euro mehr ein, als es selbst an Zuschüssen bekommen wird, erklärt der Bundesrechnungshof. Hinzu kommen Haftungsrisiken in dreistelliger Milliardenhöhe.
Roth: “Deutschland kann nicht stark sein, wenn Europa, schwach ist”
Roth ist der Ansicht: “Es ist im ureigenen deutschen Interesse, dass wir in Europa solidarisch handeln und keine Armutsinseln in Europa schaffen”.
“Es ist doch kein Geheimnis: Auch Deutschland – als größter wirtschaftlicher Profiteur Europas – kann nicht stark sein, wenn Europa, unsere Partner schwach sind.”
Der Eigenmittelbeschluss ermächtigt die EU-Kommission, für den Wiederaufbaufonds bis zu 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen.
Aus dem Corona-Hilfsfonds sollen 390 Milliarden Euro als Zuschüsse verteilt werden, die restlichen 360 Milliarden Euro als Kredite fließen. Diese Gelder müssten von den Empfängern an die EU-Kommission zurückgezahlt werden, die dann damit die entsprechenden EU-Schulden tilgt. (afp/er)
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