
FDP für „Wahlalter 16“
Als demokratiepolitischen Meilenstein feiert die FDP ihren Parteitags-Beschluss, das Wahlalter generell auf 16 Jahre senken zu wollen. CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier kritisierte auf Twitter, dies wäre nicht nur uneigennützig, sondern nütze lediglich den Grünen.

FDP-Parteitag 2017
Foto: über dts Nachrichtenagentur
Ob die FDP nach ihrem Bundesparteitag vom Wochenende (19./20.9.) in Berlin den erforderlichen Impuls mitnimmt, um aus dem prekären Fünf-Prozent-Bereich in den bundesweiten Wahlumfragen wieder herauszukommen, ist ungewiss. Nicht unbedingt ein gutes Omen ist es möglicherweise, dass eine Twitter-Reaktion von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu einem Parteitagsbeschluss der Liberalen hinsichtlich des Wahlrechts bislang mehr öffentliches Aufsehen erregt als der Parteitag selbst.
Altmaier spielt auf Kommunalwahl in NRW und EU-Wahlen an
Der Parteitag hatte einen vor allem von der Parteijugend unterstützten Antrag angenommen, das Wahlalter in Deutschland generell auf 16 Jahre zu senken. Nicht nur einer erheblichen Zahl an Social-Media-Nutzern aus dem Sympathisantenumfeld scheint die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme verborgen geblieben zu sein – zumal es zuletzt nicht einmal die FDP selbst war, die unter Jung- und Erstwählern überdurchschnittlich gut abgeschnitten hätte.
Auch CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht nur eine Partei, die von einem solchen Schritt profitieren würde, und schrieb in einer Reaktion auf einen Beitrag des FDP-MdBs Konstantin Kuhle auf Twitter:
„Ihr seid einfach die besten Wahlhelfer für die Grünen, die man sich denken kann!!!“
Altmaier nahm dabei offenbar Bezug auf die Kommunalwahlen am 13.9. in Nordrhein-Westfalen, wo die Ökosozialisten in der Gruppe der 16-24-Jährigen mit 33 Prozent das mit Abstand höchste Ergebnis aller Parteien verbuchen konnten. Bereits bei den EU-Wahlen im Vorjahr waren die Grünen unter den jüngsten Wählern stärkste Partei geworden.
FDP-Jungpolitiker wittert reinen Eigennutz der Union
Der bayerische Jungliberalen-Chef Daniel Föst warf Altmaier daraufhin vor, aus reinen Eigennutz mit „platten Aussagen“ einen demokratiepolitischen Fortschritt zu behindern. Er schrieb ebenfalls auf Twitter, er traue es der Union zu, älteren Menschen das Wahlrecht einschränken zu wollen, würden diese die CDU/CSU nicht wählen.
Auch SPD-Parteivize Kevin Kühnert und der Grünen-Abgeordnetet Danyal Bayaz warfen Altmaier vor, sich ausschließlich aus Gründen der Machtpolitik gegen eine Senkung des Wahlalters zu sperren: „Egal, ob #Wahlalter oder #Wahlrechtsreform: selten geht es dabei ums bessere Argument, dafür fast immer um Machtfragen.“
Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz ging ebenfalls auf Distanz zu Altmaiers Aussage und meinte, es liege an den Parteien selbst, „ob sie bei den jungen Wähler:innen Erfolg haben“.
Wahlalter tatsächlich nur eine Machtfrage?
Ob die Kritik an einer Herabsetzung des Wahlalters auf ein Alter unterhalb des Erreichens der Volljährigkeit tatsächlich nur eigennützige Motive hat und sich 16-Jährige in ihrer Wahlentscheidung einzig nach der Qualität der Argumente der Kandidaten richten, bleibt dennoch umstritten.
In Debatten dieser Art geht es um die Frage, inwieweit die politische Reife von jungen Menschen im Teenageralter, von denen viele noch nicht im Arbeitsprozess stehen und die altersbedingt auch über geringere Lebenserfahrung verfügen, tatsächlich weit genug gediehen ist, um auch die Verantwortung zu erkennen, die damit verbunden ist. Immerhin, so argumentieren Kritiker, ist es etwa im Strafrecht mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme, auch 21-Jährige infolge verzögerter Reife noch wie Jugendliche zu behandeln und ihnen nicht die Reife von Erwachsenen zuzubilligen.
War es in früheren Zeiten intakter sozialer Milieus der Regelfall, dass die Familientraditionen einen großen Einfluss auf das Wahlverhalten von Jungwählern hatte, scheinen mittlerweile häufig Beeinflussung durch Schule, Medien, gut genutzte Aufmerksamkeitsökonomie von NGOs oder Influencern oder Konformitätsdruck eine erhebliche Rolle zu spielen. Auch medial verstärkte Stimmungen haben bei Jungwählern tendenziell einen größeren Einfluss. Geringeres Differenzierungsvermögen infolge von weniger Lebenserfahrung lässt einfache und kompromisslose Lösungen als plausibler erscheinen.
2006: Mehr als ein Fünftel männlicher Jungwähler in MV für die NPD
Entsprechend ist auch die Hemmschwelle, radikale Parteien zu wählen, bei jüngeren Wählern tendenziell geringer – im Fall der Grünen hatten sogar viele spätere Funktionäre selbst noch im fortgeschrittenen Studentenalter noch aktiv linksextremistische Vereinigungen unterstützt.
Während in Westdeutschland und unter Gymnasiasten linksradikale Parteien von einem niedrigen Wahlalter profitieren, ist die Stimmung unter Real- oder Hauptschülern in Ostdeutschland häufig eine komplett andere: Im Jahr 2006 erzielte beispielsweise die rechtsextremistische NPD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern 23 Prozent unter männlichen Jungwählern.
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