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Hamed Abdel-Samad verlässt Deutsche Islamkonferenz: „Nicht länger als Feigenblatt dienen“

Der als Islamkritiker zur Deutschen Islamkonferenz (DIK) eingeladene Autor Hamed Abdel-Samad wird dem Gremium nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies erklärte der Deutsch-Ägypter am Dienstag. Er begründete dies unter anderem mit dem Einfluss von Verbänden wie der DITIB.

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Der Publizist Hamed Abdel-Samad im Gespräch mit dem ARD-"Nachtmagazin" zum Thema Islamdebatte der AfD.

Foto: Screenshot/Youtube

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Lesedauer: 6 Min.

Der deutsch-ägyptische Buchautor Hamed Abdel-Samad, der seit 2010 auf Einladung der Bundesregierung in der Deutschen Islamkonferenz (DIK) sitzt, hat am Dienstag (10.11.) erklärt, dem Gremium künftig nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Die DIK wurde 2006 auf Initiative des Ökonomen Markus Kerber ins Leben gerufen. Sie sollte einen „dauerhaften und regelmäßigen gesamtstaatlichen Dialog mit Muslimen bzw. ihren Vertretungen in Deutschland“ pflegen und Lösungsvorschläge zu konkreten Themen erarbeiten, die mit islamischem Leben in Deutschland zusammenhängen.

Abdel-Samad: „Das ist keine Integrationspolitik, das ist Selbstaufgabe“

In einem Interview mit der „Welt“ schilderte Abdel-Samad die Gründe für seine Entscheidung. Er wolle demnach „nicht länger als Feigenblatt dafür dienen, dass auch kritische Stimmen gehört werden“ – was nicht wirklich geschehe. Die Entscheidungen würden am Ende in Abstimmung mit größeren Verbänden wie der dem türkischen Staat zuzuordnenden Gemeinschaft DITIB getroffen.
So habe der Verband durchgesetzt, dass die Ausbildung der Imame für Deutschland in Ausbildungszentren erfolgen solle, die von den großen Verbänden beeinflusst würden. Bereits 2018 habe der Vertreter der DITIB klargemacht, dass der Verband keine Imame einstellen wolle, die zuvor an Lehrstühlen für islamische Theologie studiert hätten, die der deutsche Staat eingerichtet hatte.
Dies hätte die Staatssekretäre dazu veranlassen sollen, das Gespräch abzubrechen, denn wer „den deutschen akademischen Standards nicht vertraut“, solle „auch nicht länger unser Vertrauen“ genießen. Stattdessen sei man auf die Bedenken der DITIB eingegangen. Damit aber gewännen „türkische Nationalisten und die Muslimbruderschaft nun noch mehr Einfluss“. Das sei „keine Integrationspolitik, das ist Selbstaufgabe“.

Vorbehalte gegen deutsche akademische Ausbildung

Die DITIB, die mit fast 900 Moscheegemeinden und einem Umfeld von mehreren hunderttausend Personen der mit Abstand größte Islamverband in Deutschland ist, hatte bezüglich der islamisch-theologischen Ausbildung an deutschen Universitäten schon 2013 deutliche Vorbehalte bezüglich der damit betrauten Personen vorgebracht.
So soll der mit dem Aufbau des „Zentrums für Islamische Theologie“ (ZIT) in Münster betraute und als Vertreter eines Reform-Islam geltende Gelehrte Mouhanad Khorchide einem Gutachten zufolge Inhalte vertreten, die nicht mit der islamischen Lehre konformgingen. In weiterer Folge drohten auch andere islamische Verbände damit, den theologischen Beirat zu boykottieren.
Am Ende wurde zwar eine Lösung gefunden, die dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) als konservativem Dachverband eine weitreichende Mitsprache bei Personalentscheidungen sicherte – die Skepsis gegenüber dem vermeintlichen deutschen „Staatsislam“, der an den theologischen Fakultäten entstünde, blieb in vielen Teilen der islamischen Community jedoch bestehen.

Islamverbände haben „kein Interesse daran, dass Muslime sich den Deutschen annähern“

Abdel-Samad lehnt eine Mitsprache der Islamverbände in Integrationsfragen demgegenüber vollständig ab und hält es für einen Fehler der Bundesregierung, diese als „Spätfolge des 11. September“ als Partner in diesem Bereich aufgewertet zu haben. Man habe es, so Abdel-Samad, nicht gewusst, mit wem man es zu tun habe:
„Die meisten dieser Verbände sind verlängerte Arme ausländischer Regierungen wie der Türkei oder von Bewegungen wie den Muslimbrüdern oder den Salafisten in den Golfstaaten.“
Entgegen dem hinter der Konferenz stehenden Anliegen, „Deradikalisierung und Unabhängigkeit der hier lebenden Muslime von schlechten ausländischen Einflüssen“ zu bewirken, würden „dieselben radikalen islamischen Muster vermittelt, die man eigentlich verhindern will“. Dass beispielsweise Menschen mit der Hölle gedroht werde, wenn sie Menschen töten, sei selbst „muslimischer Radikalismus“, so Abdel-Samad.
Den Islamverbänden gehe es stattdessen nur um Geld, Einfluss und die Gleichstellung mit den Kirchen, hingegen hätten sie „kein Interesse daran, dass Muslime sich den Deutschen annähern“. So wollten die Islamverbände, dass Muslime in „eigene“ Geschäfte und Lokale gehen, wo die „halal“-Vorschriften eingehalten würden.

Islamkonferenz mit selektiver Einladungspolitik

Abdel-Samad hält die „Multikulturalismusideologie“ für verantwortlich dafür, dass sich „keine stabile deutsche Kollektividentität herausbilden“ könne. Stattdessen bildeten sich „viele kleine Leitkulturen; eine linksextreme, eine rechtskonservative, eine türkisch-nationalistische, eine islamistische“.
Die deutsche Politik konzentriere sich „seit Langem vor allem auf die Wirtschaft und vernachlässigt Identität und Werte“. Dass auf diese Weise ein „sozialer Zusammenhalt durch eine gemeinsame Identität“ nicht entstehe, lasse den Islamismus und andere kleine Leitkulturen in diese Lücke stoßen.
An der DIK nehmen als ständige Mitglieder 15 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen sowie 15 Muslime teil. Neben Vertretern muslimischer Verbände gehören dazu auch von der Bundesregierung eingeladene Einzelpersonen. Zu diesen zählen auch mehrere Vertreter der „Islamkritik“ wie Abdel-Samad, der sich trotz seiner Nähe zu explizit atheistischen Verbänden wie der Giordano-Bruno-Stiftung nicht als solcher empfindet.
Auch Repräsentanten eines „liberalen Islam“, etwa vom Muslimischen Forum Deutschland e. V. (MFD), dem „Liberal-Islamischen Bund“ oder der „Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee“, wurden von der Bundesregierung zu Terminen eingeladen. Deren Einfluss in der muslimischen Community ist jedoch begrenzt, keine dieser Vereinigungen kommt über bundesweit dreistellige Mitgliederzahlen hinaus.

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