
Immer mehr Experten fordern Testpflicht für Geimpfte
Studien zufolge infizieren sich auch Geimpfte häufig mit dem Coronavirus und weisen annähernd die gleiche Virenlast auf wie Ungeimpfte. Geimpfte dürfen nicht rechtswidrig privilegiert werden, fordern Juristen und Mediziner.

Impfangebot bei Ikea.
Foto: Sean Gallup/Getty Images
Lasst euch impfen und Ihr bekommt eure Grundrechte zurück, lautet das Credo der Bundesregierung. Wenn eine Person nicht infektiös für andere sei, bestehe grundsätzlich kein Grund, diese Person in ihren Freiheitsrechten einzuschränken, so die Auffassung.
Mit dem Auftreten der Delta-Variante gerät die Rechtfertigung, Geimpften mehr Rechte zu geben als Ungeimpften zunehmend ins Wanken. Während die Zahl der Impfdurchbrüche schnell ansteigt, zeigen immer mehr wissenschaftliche Arbeiten, dass Geimpfte eine fast gleich hohe Virenlast wie Ungeimpfte haben können.
Dennoch sollen ungeimpfte Bundesbürger die Tests, die sie benötigen, um am öffentlichen Leben teilhaben zu dürfen, ab Oktober aus eigener Tasche bezahlen – während die leidige Testpflicht für Geimpfte gänzlich entfällt. Nicht einmal ein Schnelltest ist mehr notwendig. Ihr sogenannter Immunitätsnachweis verschafft ihnen unbeschränkten Zugang zu Restaurants, Flügen, Veranstaltungen. Viele betrachten diese Ungleichbehandlung als Impfpflicht durch die Hintertür.
Übertragen aber auch Geimpfte das Virus, wird ihre Bevorzugung hinfällig. Im Januar war dies auch die Auffassung der Bundesregierung, bekräftigt beispielsweise durch die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, die das “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (RND) wissen ließ: “Solange nicht wissenschaftlich sicher belegt ist, dass die Impfung auch vor einer Weitergabe des Virus’ schützt, kommt eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften gegenüber Nicht-Geimpften nicht infrage.”
Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
Angesichts der Tatsache, dass auch Geimpfte maßgeblich zum Infektionsgeschehen beitragen, fordern immer mehr Experten ein Umdenken. „Sowohl aus epidemiologischer als auch aus juristischer Sicht muss schnellstmöglich eine grundsätzliche Testpflicht auch für Geimpfte eingeführt werden“, mahnt Rolf Merk, Jurist und Vorsitzender des Stadtrechtsausschusses der Stadt Mainz, in einem Beitrag für “Legal Tribune Online”. „Will man aber weiterhin – allein um den Anreiz des Impfens zu erhöhen – hierauf verzichten, handelt man nicht nur rechtswidrig im Sinne einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung, sondern nimmt auch billigend einen Anstieg der Infektionen in Kauf.“
Auch Alexander Markowetz vom Fachbereich Mathematik und Informatik an der Universität Marburg mahnt eine Erhöhung der Tests an, statt sie zu reduzieren: „Das Testen ist das Fieberthermometer der Pandemie. Das Fieber sinkt ja nicht, wenn man es nicht misst“, schreibt der Wissenschaftler in einem Papier, das der FAZ vorliegt. Je öfter das Virus auf eine geimpfte Person treffe, desto höher sei die Chance, dass es zu einer resistenten Mutation komme, so Markowetz.
„Auch Geimpfte und Genesene sollten weiter getestet werden“
Island ruderte bereits zurück und verlangt nun auch von den Geimpften und Genesenen negative Corona-Tests. Auf der Insel im Nordatlantik machen die Geimpften inzwischen bereits die Mehrheit der aktuell Infizierten aus.
Für Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin, ist dies die richtige Reaktion: “Was wir in Island, aber übrigens auch in Israel oder Großbritannien sehen, überrascht Immunologen nicht. Keine Impfung ist zu 100 Prozent sicher. Und auch die Konsequenz, die in Island gezogen wird, ist absolut richtig: Auch Geimpfte und Genesene sollten weiter getestet werden”, sagte der Immunologe gegenüber “t-online”.
Auch Geimpfte und Genesene sollten laut Radbruch in die Testpflicht einbezogen werden, da sie das Virus weitertragen könnten. „Die Impfung schützt gut vor einem schweren Krankheitsverlauf, aber nur bedingt vor Infektion und Infektiosität.”
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