Neustrelitzer Gymnasium markiert Corona-getestete Schüler mit grünem Punkt – Psychologe warnt vor Risiko
Bislang kannte man den Grünen Punkt nur von der Mülltrennung. Nun zieht ein grüner Punkt in Corona-Zeiten auch in Schulen ein und sorgt damit für Schlagzeilen.

Schüler im Unterricht.
Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Das rot-weiße Absperrband teilt den Schulhof in unterschiedliche Bereiche. Schüler mit Gesichtsmasken treten nach und nach mit gebührendem Abstand in das Schulgebäude ein.
Die Bilder des Carolinum Gymnasiums zeugen davon, dass das neuartige Virus deutliche Spuren in der Bildung hinterlassen hat. Schulleiter Henry Tesch lobt die Schüler für ihr „großartiges Verhalten“. Er hofft, schnell wieder zurück zur Normalität zu kehren. Dafür greift das Neustrelitzer Gymnasium in Mecklenburg-Vorpommern zu ungewöhnlichen Maßnahmen.
In gemeinsamer Kooperation mit dem Rostocker Biotech-Unternehmen Centogene werden Schüler zweimal pro Woche auf das aus China stammende SARS-CoV-2 getestet – freiwillig, wenn sie denn wollen. Die Kosten übernimmt das Unternehmen.
Informiert werden die Eltern durch einen Brief der Schule. Darin heißt es: „Die Schulleitung des Carolinum wird alles dafür tun, um das beste Maß an Sicherheit zu bieten, die Rückkehr in den Alltag zu ebnen. Daher bieten wir euch die kostenfreie Testung auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2 Infektion ab Montag, 27.04.2020.“
Dafür sei eine Registrierung bei der Firma Centogene notwendig, um eine Personen-ID zu erstellen. Das Prozedere der Probenabnahme mittels Abstrich wird genau erklärt, auch mit Hinweis darauf, dass es aufgrund des tiefen Rachenabstrichs zu „Würgegefühl“ kommen wird. Mit dieser Maßnahme hoffe die Schule, den „ersten Schritt in Richtung Normalität“ gemacht zu haben.
Testen als ultimative Lösung?
„Testen ist einfach, billig, schnell“, sagte Arndt Rolfs, Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Rostocker Universität. Gleichzeitig ist er Vorstand des Unternehmens Centogene. Der Schaden durch Schließungen und Intensivmedizin für Infizierte sei viel höher.
Laut „FAZ“ haben sich 95 Prozent der elften Klasse freiwillig testen lassen, bei den zwölften Klassen waren es 85 Prozent.
Wer sich immer wieder testen lässt, trägt einen grünen Punkt auf seinem kleinen Namensschild, das Lehrer und Schüler am Hals tragen. Das sichere die freie Beweglichkeit im Gymnasium, heißt es in der FAZ.
„Ein Persilschein ist das aber nicht“, erklärte der Neustrelitzer Schulleiter. Denn die Abstandsregeln bestünden weiter. Und auch nur, wer sich den anstehenden Test wöchentlich montags und freitags unterziehe, behalte den grünen Punkt. Dafür müssen die Schüler dann nicht anstehen, um in die Schule eingelassen zu werden. Sie dürfen die „Fast lane“ benutzen.
Nach Berechnungen des Unternehmens Centogene würden die Kosten regelmäßiger PCR-Tests, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 im Abstrichverfahren anzeigen und in allen Schulen durchgeführt werden, mindestens 25 bis 26 Milliarden Euro jährlich betragen, wahrscheinlich darüber hinausgehen. Ein Schaden, der durch eine Infektion entstehen könnte, sei jedoch größer.
Sonderbehandlung – mit Freiwilligkeit hätte es nicht viel zu tun
Der Berliner Psychologe Thilo Hartmann sieht diese Maßnahme kritisch. „Mit den Punkten werden zwei für alle sichtbar nicht gleichberechtigte Gruppen von Schülern aufgemacht.“
Durch die Sonderbehandlung der grün-markierten Schüler, etwa beim Einlass oder in ihrer Bewegungsfreiheit, würde das Selbstwertgefühl der Schüler ohne grünen Punkt infrage gestellt. Das könnte auch die Rivalität zwischen den Gruppen provozieren.
Er warnt: Das könne auch dazu führen, „dass ich mich Regeln unkritisch unterwerfe, nur um zu der Gruppe zu gehören, die mir attraktiver erscheint.“ Mit Freiwilligkeit hätte das nicht viel zu tun. Im Gegenteil: „Das psychologische Risiko überwiegt den praktischen Nutzen deutlich.“
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