NGO-Kapitän Reisch steigt bei Lifeline aus: “Vieles ist mir zu linksradikal”
„Es gibt Differenzen zwischen uns, ich will nicht über alles sprechen, aber vor allem gefällt mir deren politische Agitation nicht. Ich kann mich nicht mit Aussagen gemeinmachen, wie etwa, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz sei ein Baby-Hitler“, sagte Kapitän Claus-Peter Reisch.

Kapitän Claus-Peter Reisch auf dem Deck des Rettungsschiffes "Eleonore".
Foto: Johannes Filous/dpa/dpa
Mittelmeer, Migranten, Menschenrettung. Als Claus-Peter Reisch sich bewusst darüber wurde, dass sich am Strand die Touristen tummeln, während auf offener See Menschen sterben, war für ihn klar, dass er helfen will. Seit 2017 war er als Kapitän vor Ort. Im Juni 2018 leitete er die Mission Lifeline, im September war er mit dem NGO-Schiff „Eleonore“ im Einsatz. Über 230 Menschenleben hat er seither gerettet. Aber für die Lifeline will er nicht mehr fahren. Abgeschlossen mit der Rettung der auf dem Mittelmeer ausgesetzten Migranten hat der Kapitän jedoch nicht. Erstmal ist Pause angesagt.
„Es gibt Differenzen zwischen uns, ich will nicht über alles sprechen, aber vor allem gefällt mir deren politische Agitation nicht. Ich kann mich nicht mit Aussagen gemeinmachen, wie etwa, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz sei ein Baby-Hitler“, sagte Kapitän Claus-Peter Reisch in einem Interview mit „Zeit“. Und auch „gewisse andere politische Aussagen“ seien nicht sein Ding. „Vieles ist mir zu linksradikal“.
300.000 Euro Bußgeldverfahren
Und da sei auch noch ein Bußgeldbescheid aus Italien über 300.000 Euro. Auch wenn Reisch Widerspruch eingelegt hat, müsse er das Geld einsammeln. Denn wie das Verfahren ausgehe, wisse er nicht. Zudem würde gegen ihn und seinen ersten Offizier wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise ermittelt.
Trotz seiner Abkehr von der Lifeline gibt es von dort für Reisch weiterhin Unterstützung. Auf ihrer Website bedankt sich die Organisation bei dem deutschen Kapitän und schreibt: „Selbstverständlich unterstützen wir Claus-Peter auch weiterhin beim laufenden Verfahren in Italien mit unserer ganzen Kraft. Für die Strafzahlungen konnten wir bereits 206.000 Euro sammeln. Außerdem haben wir bisher sämtliche Anwaltskosten und Reisekosten getragen und werden dies auch weiter tun!“
Menschen stehen im Vordergrund
Für seinen bisherigen Einsatz im Mittelmeer gab es jedoch nicht nur Lob, sondern auch Kritik. Grundsätzlich sei dagegen auch nichts einzuwenden. „Tun kann man immer hinterfragen“, sagte Kapitän Reisch in einem Interview mit „SWR1“. Es sei wichtig, auch die eigene Position immer wieder zu überprüfen. Allerdings seien die Vorwürfe teilweise „unter der Gürtellinie, dass sich da noch nicht einmal die Diskussion lohnt“.
Denn in erster Linie zählt für den Kapitän der Umstand, dass es sich um Menschen in einer Notsituation handelt. Der frühere Unternehmer weist darauf hin, dass die Migranten sich nicht freiwillig auf die Boote begeben würden.
„Es ist so, dass diese Menschen teilweise auf das Meer hinaus entsorgt werden“, sagte Reisch gegenüber „SWR1“. Sie seien für Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution nicht mehr zu gebrauchen. In irgendeiner Art hätten sie die „sogenannte Überfahrt“ abgearbeitet oder bezahlt und würden einfach auf das Meer hinausgeschoben.
„Man kann Vorwürfe machen wie man will. Die Leute sitzen in diesen Booten und sind in Lebensgefahr. Diese Boote sind nicht dafür geeignet, irgendwo anzukommen“, sagte Reisch.
Außerdem würden nur 40 Prozent der Migranten von NGO-Schiffen aufgegriffen, die übrigen 60 Prozent seien durch Handelsschiffe oder Militäreinheiten an Bord genommen worden. Und die würde man für ihren Rettungseinsatz auch nicht kritisieren.
Reischs Buch „Das Meer der Tränen: Wie ich als Kapitän des Seenotrettungsschiffes »Lifeline« Hunderte Leben rettete – und dafür angeklagt wurde“ ist im vergangenen Herbst im Verlag Riva erschienen.
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