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Total-Lockdown: Ramelow will Wirtschaft komplett lahmlegen

Thüringens Ministerpräsident, Bodo Ramelow, erwägt angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen die Wirtschaft komplett lahmzulegen: „Ich bin fest überzeugt, wir müssen jetzt einfach einmal komplett eine Pause machen." Bislang hätten alle Maßnahmen zur Eindämmung des Virus keine Wirkung gezeigt. Der Thüringer Wirtschaftsverband befürchtet schwere Folgen für Unternehmen.

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Bodo Ramelow.

Foto: Jens-Ulrich Koch/dpa-Zentralbild/dpa/dpa

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Lesedauer: 7 Min.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow äußerte Zweifel an der Wirksamkeit der bisherigen Corona-Maßnahmen. Die Einschränkungen würden zu lange dauern und „die Wirkungen nicht so eintreten, wie wir sie uns erhofft haben“, sagte er in einem „MDR“-Interview am 8. Januar. „Wir haben gedacht, dass wir mit dem soften Lockdown am 28.10. es schaffen könnten, den Wellenbrecher zu organisieren – so haben wir es genannt.”
Monatelang hatte Ramelow für Solidarität und Vertrauen geworben. Er habe gedacht, dass es funktioniere, wenn sich alle an „die Gebote“ halten. Jetzt sehe er, dass die Virusmutation um sich greife, die am 7. Januar auch in Sachsen festgestellt wurde. Diese Variante sei zwar nicht aggressiver, in dem Sinne, dass sie einen schwereren Krankheitsverlauf auslöse, sondern sie sei „noch dynamischer als das, was wir haben“.
„Und wir müssen feststellen, dass die ganze wirtschaftliche Last, die Gastronomen, die Einzelhändler, Schausteller, die Kulturschaffenden getragen haben. Aber am meisten tragen es die Kinder, weil wir nicht den Mut hatten, bisher zu sagen: Wir müssen insgesamt auch die allgemeine Wirtschaft anhalten“, erklärte Ramelow. Er gebe nur eine Lösung: kompletten Lockdown, bei dem auch die Wirtschaft heruntergefahren werde.
„Ich sehe einfach keine Alternativen, ich muss das einfach deutlich sagen.“
Der Fehler, den man in ganz Deutschland gemacht habe, war der, dass man den Dezember nicht bereits genutzt habe, die gesamte Wirtschaft in eine „Dezemberpause“ zu schicken. In der Produktion gehe man sich aus dem Weg und achte auf die Hygiene, während man in der Pause dann wieder zusammen sei. Möglicherweise denke man da zu sorglos, dass man sich nicht infiziere.

Infektionsanstieg durch Weihnachts-Lockerungen

„Der Anstieg, der jetzt zu vermelden ist, ist ein Anstieg, der auch durch Weihnachten betrieben ist“, urteilte Ramelow. Insoweit bedauere er, dass man nicht schon zu Weihnachten verschärfte Maßnahmen ergriffen habe. Die Zahlen würden darauf verweisen, dass Infektionen im Privatbereich  übertragen würden. In Sachsen und Thüringen gebe es keine einzelnen Hotspots.
„Wir sind der Hotspot“, so Ramelow.
Tatsächlich habe man nur die „Überdynamik“ mit den Maßnahmen der vergangenen Wochen angehalten. Mit einem schärferen Lockdown im Dezember sollte die Infektionsrate nach unten getrieben werden, damit man ab 5. Januar einen Inzidenzwert in Richtung 50 bekomme. Tatsächlich liegt Thüringen bei über 200.
„Ich bedaure, dass es mir nicht gelungen ist, […] meinem Kabinett deutlich zu machen, dass wir eine Dramatik haben“, erklärte Rahmelow.
Die Anstiege der Neuinfektionen zählte er wie folgt auf:
  1. Januar +  330
  2. Januar +  416
  3. Januar +1.173
  4. Januar +1.291
  5. Januar +1.467
Das Fazit des Ministerpräsidenten lautet:
„Das heißt, wir werden die Reißleine ziehen müssen. Das heißt, wir werden den Lockdown noch verschärfen müssen.“

Verschärfte Maßnahmen für alle?

Nun müsse gemeinsam der Schutz von Leib und Leben organisiert werden. „Ich verstehe die Kritik der Landräte sehr gut“, erklärte Ramelow. Diese wandten sich dagegen, dass die Landesregierung die für Inzidenzwerte bei über 200 angedachten Maßnahmen den Landkreisen überlasse. Das halte der Ministerpräsident „für keinen guten Weg“ und diese Position habe er auch in der Kabinettssitzung am 5. Januar vertreten.
Allerdings sei es ihm nicht gelungen, dem gesamten Kabinett und allen drei Koalitionspartnern deutlich zu machen, dass es nicht um „politisches Gewinnen“ gehe, sagte Ramelow selbstkritisch. Es gehe darum, für das Land zu stehen. „Ein weiterer Anstieg [der Infektionszahlen] ist für das Gesundheitssystem nicht auszuhalten“, erklärte er. Insoweit müsse man handeln, „softere Methoden“ seien dafür ungeeignet.
Einen Lockdown der Wirtschaft könne Thüringen jedoch nicht alleine stemmen, betonte der Ministerpräsident mit Blick auf die Wechselbeziehungen mit Bayern, Sachsen und Hessen. „Ich bin fest überzeugt, wir müssen jetzt einfach einmal komplett eine Pause machen“ – und zwar so schnell, wie es irgendwie möglich sei. Um die elf Prozent aus dem „Bruttoinfektionsgeschehen“ würden am Ende im Krankenhaus landen. Bereits jetzt sei man in den Krankenhäusern und Pflegeheimen am Limit.

Thüringer Wirtschaftsverband warnt

Schwere Folgen für Unternehmen befürchtet der Verband der Thüringer Wirtschaft, sollte es zu einem kompletten Lockdown kommen. Es sei„sehr, sehr problematisch“, die Wirtschaft komplett herunterzufahren, sagte Verbandspräsident Hartmut Koch. Aktuell würden noch nicht einmal die nach seiner Einschätzung verheerenden echten Auswirkungen der Maßnahmen in Bereichen wie Tourismus und Kultur in Zahlen vorliegen.
Insoweit müsse die Regierung genau überlegen, welche konkreten Bereiche von einem Lockdown betroffen sein sollen. Es gebe viele Unternehmen, die hervorragende Hygienekonzepte entwickelt hätten, wonach Infektionen weitgehend eingedämmt werden. Die Frage sei, ob die höheren Ansteckungszahlen tatsächlich direkt durch Mitarbeiter oder in Unternehmen begünstigt wurden.

Zahlen aus Thüringen

Nach aktuellen Meldungen (Stand 11. Januar) werden in Thüringen insgesamt 4.626 Patienten stationär behandelt, davon 2.589 COVID-19-Patienten, von denen laut Informationen des Ministeriums 314 Patienten „schwere Verläufen“ zugerechnet werden.
Laut dem DIVI-Intensivbettenregister (Stand 11. Januar) werden 206 als COVID-19-Fälle eingestufte Patienten intensivmedizinisch betreut, 110 davon werden invasiv beatmet. Von den 712 insgesamt betreibbaren Intensivbetten, seien noch 99 frei. Hinzu kommt laut Register eine Notfallreserve, wonach in Thüringen 342 Intensivbetten innerhalb von sieben Tagen aufgestellt werden können.
Laut Robert Koch-Institut waren die Anzahl der Neuinfektionen am Wochenende rückläufig. So wurden für den 9. Januar 1.257 Neuinfektionen gemeldet, für den 10. Januar 970. Wie viele der Neuinfektionen, also der neu auf SARS-CoV-2 positiv getesteten Personen, tatsächlich in Thüringen erkrankt sind, konnte nicht ermittelt werden. Auch liegen aktuell keine Daten zur Anzahl der durchgeführten Corona-Tests in Thüringen vor.
Zum Thema „Wie viel Staat braucht Deutschland? – COVID-19 und der Wohlfahrtsstaat“ findet am 11. Januar ab 18:30 Uhr eine Debatte zwischen Bodo Ramelow und FDP-Chef Christian Lindner statt. Organisiert wird die Veranstaltung von der German Society der London School of Economics and Political Science, zu der sich „jeder auf und außerhalb von Facebook“ anmelden kann.

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