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AKW-Betreiber: „Kraftwerke zum Reservebetrieb nicht geeignet“ – Habeck „irritiert“

Als „Notfallreserve“ sollen zwei der drei Kernkraftwerke, die in Deutschland noch am Netz sind, laut Minister Habeck im Winter zur Verfügung stehen. In einem Brief macht PreussenElektra-Chef Knott deutlich, dass ein Reservebetrieb der AKWs technisch nicht machbar sei.

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Ein Luftbild zeigt das Kernkraftwerk Isar, zu dem der Reaktor Isar 2 gehört, am 14. August 2022 in Essenbach, Deutschland. Isar 2 ist eines der letzten drei noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke in Deutschland, und alle drei sollen bis Ende dieses Jahres abgeschaltet werden.

Foto: Alexandra Beier/Getty Images

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Lesedauer: 5 Min.

„Irritiert“ reagiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf einen Brief des Vorstandschefs von PreussenElektra, Guido Knott. Wie die „Tagesschau“ berichtete, hat Knott, dessen Unternehmen das AKW Isar 2 betreibt, den Minister in einem Brief davor gewarnt, zwei der drei deutschen Anlagen, die ursprünglich zum Jahresende ihren Betrieb einstellen sollten, über den Winter in den Reservebetrieb zu schicken.

Technische Bedenken gegen Reservebetrieb

Habeck hatte am Montag (5.9.) als Reaktion auf die Vorstellung der Ergebnisse des von seinem Ministerium in Auftrag gegebenen Stresstests angekündigt, die Meiler Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis Mitte April als „Reservekraftwerke“ nutzen zu wollen. Die Netzbetreiber, die mit dem Stresstest beauftragt waren, diagnostizierten eine „äußerst angespannte“ Versorgungssituation im bevorstehenden Winterhalbjahr.
Deshalb rieten sie dringend zur „Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs- und Transportkapazitäten“ und betonten, zumindest in Deutschland könnten Lastunterdeckungen durch den Streckbetrieb aller drei Kernkraftwerke „weitestgehend vermieden werden“. Habeck zeigt sich bis dato jedoch nur zum „Reservebetrieb“ von zwei der drei AKWs bereit.
Was einen solchen anbelangt, habe man jedoch „keine Erfahrungswerte“, erklärte Knott. Gegenüber „Reuters“ bestätigte er, man habe am Montagabend kommuniziert, dass „Kernkraftwerke aus technischen Gründen nicht für einen Reservekraftwerksbetrieb geeignet sind“. Dazu wolle man einen weiteren Austausch mit der Bundesregierung pflegen.

Knott warnt vor Experimenten in akuter Notsituation

In dem Schreiben, das an den Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, ging, betonte Knott, es sei „technisch nicht machbar“, zwei der drei laufenden Anlagen zum Jahreswechsel in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren. Dementsprechend sei eine solche Maßnahme auch nicht geeignet, den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern.
Bereits im August habe man das Bundeswirtschaftsministerium zudem informiert, dass „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“. Dies gelte umso mehr, wenn der Meiler bereits heruntergefahren sei und die Brennstäbe das Ende ihrer Leistungsfähigkeit erreicht hätten. In einem solchen Fall sei ein Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht machbar.
„Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen“, mahnte Knott mit Blick auf die prekäre Lage im Bereich der europäischen Energieversorgung. Der PreussenElektra-Chef bot dem Ministerium ein neuerliches Fachgespräch über die Möglichkeiten und Grenzen eines Winterbetriebs an und erbat „kurzfristige Klarheit“, ob das AKW noch über den Jahreswechsel hinaus am Netz bleiben solle. Über das weitere Vorgehen müsse bis spätestens Ende Oktober Klarheit bestehen.

Habeck: PreussenElektra „hat Konzept nicht verstanden“

Habeck äußerte in weiterer Folge, er habe das Schreiben „mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen“. Ein Hoch- und wieder Herunterfahren der Anlagen sei nicht geplant – PreussenElektra habe „das Konzept Notfallreserve nicht verstanden“.
Zudem sei es „offensichtlich an den Technikern von PreussenElektra vorbeigegangen“, dass es eine grundsätzliche Entscheidung geben solle, ob die Kraftwerke weiter benötigt würden oder nicht. Immerhin habe es in einem früheren Brief des Unternehmens noch geheißen, dass die Anlagen auch bei einem längeren Streckbetrieb einen kurzen Stillstand bräuchten, was aus seiner Sicht widersprüchlich sei.
Rückendeckung bekommt Knott unterdessen von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Sie bezeichnete es im „heute-journal“ des ZDF als „eigentlich die schlechteste aller Lösungen“, die Kernkraftwerke lediglich als Energie-Notreserve in Bereitschaft zu halten, aber nicht laufen zu lassen.
Die Versorger müssten für die Kosten der Bereithaltung entschädigt werden, die – wie im Fall der Personalkosten – in jedem Fall anfallen würden. Eine günstige Entwicklung in Richtung sicherer Versorgung zu bezahlbaren Preisen sei jedoch nur möglich, wenn Energie auch produziert werde.

FDP will Laufzeiten aller drei AKWs bis 2024 verlängern

Grimm trat zuvor bereits im „Morgenmagazin“ des Senders für eine akute Nutzung der Kernkraftwerke und ein klares Bekenntnis zu einer temporären Weiternutzung der Anlagen ein, den Strompreis über eine Ausweitung des Angebotes zu drosseln.
Es sei nötig, das Stromangebot als solches auszuweiten, „sodass das große Stromangebot auf die Nachfrage trifft und dadurch der Preis nach unten gedrückt“ werde. In diesem Kontext seien neben den AKWs auch die Kohlekraftwerke relevant, die reaktiviert würden.
Über eine Ausweitung des Stromangebotes den Preis auf natürlichem Wege zu drücken, sei effektiver, als ihn über ein künstliches System der Deckelung und Kompensationen zu niedrig zu halten, zumal die Realisierbarkeit und die Erfolgsaussichten dieses Ansatzes nicht feststünden.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach sich ebenfalls für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bis zumindest 2024 aus – erforderlichenfalls inklusive des Ankaufs neuer Brennstäbe. Oberstes Gebot sei es, „mehr Menge in den Markt“ zu bekommen, um den Strompreis zu senken und einen Blackout zu verhindern.

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