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Auf den Spuren der Maler

Glanzpunkte einer legendären Reise nach Tunesien: Die Entdeckung des Lichts

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Orientalische Kulisse Hammamet

Foto: Bernd Kregel

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Lesedauer: 6 Min.

Es waren die Maler August Macke, Paul Klee und Louis Moilliet, die sich vor genau hundert Jahren  von der Lichtintensität Tunesiens blenden  ließen. Von der Leuchtkraft der Farben, die sie nun deutlicher als je  zuvor wahrnahmen. Mit einer Ausstrahlung, die ihnen, stellvertretend für ihre Künstlerkollegen im fernen Nordeuropa, die Augen öffnete und sie zu einem künstlerischen Neuanfang animierte.
Die von August Macke und Paul Klee ausgelöste Initialzündung weiterhin aktuell.
„Mehr Licht!“ Niemand weiß, ob Goethes letzter Stoßseufzer in Erfüllung ging und ihm am Ende seiner Tage ein Licht von irgendwoher leuchtete, das ihm Klarheit und Wahrheit verschafft hätte. Mit seinem sehnlichen Wunsch jedoch, in die höheren Sphären eines imaginären Lichtuniversums vorzudringen, gab er  unbeabsichtigt ein Thema vor, das sich erst nach ihm in künstlerischer Hinsicht  wie mit einem Paukenschlag entfalten sollte. Und dies ausgerechnet auf einer Reise ins entlegene Tunis. Dorthin, wo  das Licht in seiner Intensität erstmals in seiner Bedeutung für die Kunst angemessen gewürdigt wurde und dadurch zur Offenbarung werden sollte für eine ganze Künstlergeneration.
Traum in Blau und Weiß
Viele Nachahmer haben sich nach dem Ersten Weltkrieg auf ihre Spuren geheftet, um ebenfalls in der Farbintensität des Maghreb zu schwelgen. Und fanden sich wieder in dem inzwischen zu Berühmtheit gelangten  Ort Sidi Bou Said in der Nähe von Tunis. Jenem Dorf, das schon ein Jahr nach dem Besuch der drei Tunis-Reisenden im Jahr 1915 als Künstlerort unter Denkmalsschutz gestellt wurde. Ein architektonischer Traum in Blau und Weiß, bestens dazu geeignet, mit dem intensiven Blau des Meeres und dem strahlenden Himmel farblich zu korrespondieren.
Da Klee und Macke sich ihrerseits während ihres Aufenthalts von ihrem starken  Interesse an Land und Leuten antreiben ließen, führte sie ihr Weg natürlich auch nach Hammamet, jener stolzen Küstenstadt mit ihrem starken orientalischen Einschlag. Zweifellos zog es sie hinauf in die Medina mit ihren bunten Gässchen und verwinkelten Häuserzeilen. Überragt von einer wuchtigen Festungsanlage, die den Blick freigibt auf einen halbmondförmig gebogenen  überlangen Sandstrand.
Ein wahres Lifestyle-Universum
Stand in der Markthalle von TunisStand in der Markthalle von TunisFoto: Bernd Kregel
Wohl wegen seiner vorzüglichen Lage entfaltete sich Hammamet zum ersten größeren touristischen Zentrum der zwanziger Jahre. Alle künstlerisch Interessierten wollten nun  das nordafrikanische Land mit eigenen Augen sehen und machten sich auf den langen Weg. So auch der aus Rumänien stammende Millionär Georges Sebastian. Der konnte sich darüber hinaus auch einen Lebenstraum erfüllen in Form einer Villa im andalusisch-tunesischen Stil, die als „Villa Dar Sebastian“ sogar seinen Namen trägt. Für ihn zweifellos ein geeigneter Ort für die zahlreichen rauschenden Feste, die der kosmopolitische Lebemann im Beisein vieler europäischer Künstler feierte.
Bunt geht es auch zu in Nabeul, einem quirligen Ort ganz in der Nähe. Hier ist neben dem legendären Kamelmarkt auch das Keramikhandwerk zuhause. Geschäftiges Treiben einerseits auf der geräumig angelegten Marktstraße. Daneben, versteckt in einem kleinen Gässchen, das Dar Sabri, ein Musterbeispiel gepflegten Wohnens. Ein neu ausgestaltetes Lifestyle-Universum, über das hinaus wohl nichts Stilvolleres denkbar ist, um sich dem Vergnügen des süßen Nichtstuns hinzugeben.
Inspiration durch Volkskunst
Doch noch steht mit der Hauptstadt Tunis das letzte Ziel der aktuellen Tunesienreise aus. Eine Stadt, für die die Revolution der vergangenen Jahre sicherlich ebenso überraschend hereinbrach wie für Klee und Macke der Erste Weltkrieg, dem letzterer schon im ersten Jahr zum Opfer fallen sollte. Auch in Tunis ist die Spurensuche nach den Künstlern erfolgreich. So im Grand Hotel de France, in dem noch heute die Zimmer so gestaltet sind wie zu Mackes Zeiten vor hundert Jahren. Ein Porträt des Künstlers im Hausflur erinnert an dessen folgenschweren Aufenthalt, bei dem auch sein berühmtes Bild von der Ez-Zitouna-Moschee entstand.
Künstlerin Sedika Keskes auf den Spuren von Paul KleeKünstlerin Sedika Keskes auf den Spuren von Paul KleeFoto: Bernd Kregel
Die wichtigste Spur jedoch führt in das Haus der regen Künstlerin Sadika Keskes. Als Kuratorin der Ausstellung „Paul Klee und der tunesische Teppich“ hat Sadika über die Jahre hinweg tunesische Kelime bis in die Zeit der Tunesienreise vor hundert Jahren gesammelt. Mit denen erbringt sie den Beweis, wie sehr sich Paul Klee damals von Formen und Farmen der Volkskunst inspirieren ließ, die auf 130 Farbnuancen zurückgreifen kann.
Gesellschaftlicher Auftrag
Im Gespräch jedoch erklärt Sadika, dass sie über den künstlerischen Bereich hinaus auch noch einen gesellschaftlichen Auftrag wahrnehme. Denn mit der Revolution sei ihr klar geworden, wie viele Frauen es in der tunesischen Provinz gebe, die ohne Mindeststandards an sozialer Sicherheit auskommen müssten. Diese versucht sie nun durch gezielte Aktionen in den demokratischen Neugestaltungsprozess des Landes mit einzubeziehen.
So in einem Dorf ganz im Zentrum des Landes, wo auf ihre Anregung hin nicht nur politische Bewusstseinsprozesse  in Gang gekommen sind. Vielmehr werden hier neuerdings auch Teppiche hergestellt, die mit Hilfe der Anregungen durch Paul Klee zurück führen genau zu der Volkskunst, die in der Vorstellungswelt der Frauen noch in Bruchstücken verankert ist. In der Tat: Eine Tunesienreise vor hundert Jahren mit weit reichenden Folgen bis tief hinein in die Gegenwart.

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