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Histamin: Warum Käsebrot, Rotwein & Co plötzlich Probleme machen können - und was dahintersteckt

„Der Mensch schaufelt sich sein Grab mit Messer und Gabel“, heißt es in der Naturheilkunde. Warum das auch für Histamin gilt und wie wir dem entgegenwirken können, erklärt Gastautor und Heilpraktiker René Gräber in seiner wöchentlichen Kolumne bei Epoch Times.

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Lesedauer: 9 Min.


In Kürze:

  • Histamin ist im menschlichen Körper an der Regulierung von Immunsystem und Verdauung beteiligt.
  • Bei Enzymmangel wird der Botenstoff unzureichend abgebaut, reichert sich an und führt zu Beschwerden, die von Hautrötungen bis Zyklusproblemen reichen.
  • Selbstbeobachtung und gezielte Ernährung sind die effektivsten Instrumente.
  • Wer gezielt entlastet, spürt oft schon nach wenigen Tagen eine Verbesserung.

 
Es fängt harmlos an: Ein Glas Rotwein, das früher gut vertragen wurde, führt plötzlich zu Herzklopfen. Das geliebte Käsebrot schlägt auf den Magen. Die Haut spielt „verrückt“, obwohl sich an der Ernährung angeblich nichts geändert hat. Und dann der übliche Ablauf: Blutbild ist normal, Allergietest ohne Befund, Magenspiegelung unauffällig. Trotzdem fühlt man sich nicht mehr richtig im Gleichgewicht.
In solchen Fällen lohnt sich ein genauer Blick auf einen Botenstoff, den viele unterschätzen: Histamin. Kaum ein anderer Stoff hat solch vielfältige Wirkungen auf Verdauung und Stimmung, Haut, Schlaf und Kreislauf – und kaum einer wird so oft übersehen.

Ein Botenstoff mit Nebenwirkungen – diffus, aber real

Histamin ist kein Fremdkörper. Der Organismus produziert es selbst – zur Immunabwehr, zur Steuerung der Magensäure, zur Regulation von Entzündungen. Aber: Wird es nicht ausreichend abgebaut, kann es den Körper regelrecht überfluten – mit Symptomen, die diffus und schwer greifbar sind.
Der Schlüssel liegt in einem Enzym namens Diaminoxidase (DAO). DAO sitzt vor allem im Dünndarm und kümmert sich darum, überschüssiges Histamin unschädlich zu machen. Ist dieses Enzym blockiert – etwa durch Alkohol, bestimmte Medikamente, chronische Darmerkrankungen oder hormonelle Schwankungen –, steigt die Histaminlast im Körper. Und dann beginnt das Rätselraten.
Die Symptome sind vielfältig: Hautrötungen, Juckreiz, Völlegefühl, Übelkeit, Kopfschmerzen, Hitzewallungen, Schwindel, Herzklopfen, Schlafstörungen oder Zyklusprobleme. Besonders häufig beobachte ich solche Beschwerden bei Frauen zwischen 40 und 60 – also in der hormonellen Umstellungsphase. Auch bei Reizdarmpatienten tauchen sie gehäuft auf.
Weil das Beschwerdebild so unspezifisch ist, wird es in der Praxis leider oft ins Psychosomatische abgeschoben. Doch viele Betroffene spüren instinktiv: „Da stimmt etwas nicht“ – und liegen damit meist richtig.

Versteckte Histaminfallen und versagende Diagnostik

Histamin entsteht nicht nur im Körper, es kommt auch mit der Nahrung. Gereifte und fermentierte Lebensmittel sind besonders problematisch: lange gereifter Käse, geräuchertes Fleisch, Salami, Sauerkraut, Fisch – vor allem, wenn nicht ganz frisch –, Rotwein, Sekt, Essig. Aber auch manche frische Produkte wie Tomaten, Avocados, Spinat, Auberginen, Erdbeeren oder Nüsse schlagen bei empfindlichen Menschen zu Buche.
Weniger bekannt: Es gibt auch Lebensmittel, die selbst kaum Histamin enthalten, aber die körpereigene Freisetzung verstärken – sogenannte Histaminliberatoren. Dazu zählen Schokolade, Weizenprodukte, Alkohol – und bei einigen Menschen auch Schweinefleisch. Wer sensibel reagiert, sollte gerade hier genauer hinsehen.
Lebensmittel können selbst Histamin enthalten oder die körpereigene Produktion anregen.

Lebensmittel können selbst Histamin enthalten oder die körpereigene Produktion anregen. Die Folgen sind in beiden Fällen gleich.

Foto: Santje09 | iStock

Doch das Problem liegt tiefer, denn die sogenannte „Histaminintoleranz“ ist keine klassische Allergie. Es gibt keine Normwerte, keine zuverlässigen Marker. Selbst der DAO-Blutwert ist unzuverlässig – er schwankt stark und sagt wenig über die tatsächliche Enzymaktivität im Darm. Neuere Studien zeigen zudem, dass die DAO-Aktivität nicht nur von Genetik, sondern vor allem vom Zustand der Darmschleimhaut beeinflusst wird. Laboranalysen greifen hier zu kurz.
Diagnostisch bleiben deshalb Selbstbeobachtung, ein Ernährungstagebuch und gezielte Eliminationsphasen die effektivsten Instrumente. Ich ermutige Patienten dazu, aktiv zu testen, insbesondere durch drei histaminarme Tage oder gezielte Provokationen unter sicheren Bedingungen, zum Beispiel ein Glas Wein auf nüchternen Magen – nicht empfohlen, aber manchmal entlarvend.

Was in der Praxis wirklich hilft

Wer gezielt entlastet, spürt oft schon nach wenigen Tagen eine Veränderung bei Haut, Verdauung, Schlaf und allgemeiner Reizschwelle. Ich starte meist mit einer kurzen Phase von drei bis fünf Tagen histaminarmer Ernährung: gedünstetes Gemüse, gekochte Hirse oder Reis, Zucchini, Pastinaken, etwas frisches Putenfleisch oder Seehecht. Kein Alkohol, keine Wurst, kein gereifter Käse – aber auch keine Tomaten, kein Spinat, keine Bananen oder Avocados.
Für besondere Anlässe und Restaurantbesuche haben sich DAO-Präparate bewährt. Ich empfehle sie punktuell – 30 Minuten vor dem Essen – und nicht als Dauerlösung. Besonders hilfreich sind zudem Vitamin C (500–1000 mg täglich als gepufferte Form) und Vitamin B6, idealerweise als Pyridoxal-5-Phosphat (10–25 mg). Beide fördern den Histaminabbau im Körper.

Stabiler Darm – weniger Reaktion

In der Naturheilpraxis gehen wir das Thema oftmals grundsätzlich über eine gezielte Darmsanierung an. Das ist zwar ein strapazierter Begriff und es gibt zig Varianten davon, aber ein stabiler Darm produziert mehr DAO und puffert Reize wie Histamin deutlich besser ab. In meiner Praxis setze ich dafür auf eine Kombination aus Probiotika, Flohsamenschalen, Präbiotika und einfachen Bitterstoffen vor dem Essen. Entscheidend ist nicht die Einzelmaßnahme, sondern die systematische Entlastung und Stärkung der Darmschleimhaut – idealerweise über mehrere Wochen.
Sehr gute Erfahrungen habe ich mit Intervallfasten gemacht. Der klassische 16:8-Rhythmus, also 16 Stunden Essenspause über Nacht, entlastet den Stoffwechsel deutlich. Bei vielen meiner Patienten sinken dadurch sowohl Haut- als auch Reizsymptome merklich.
Auch pflanzliche Mittel wie Quercetin (zum Beispiel 250–500 mg täglich) oder Schwarzkümmelöl (1–2 Teelöffel täglich) können stabilisierend wirken – allerdings nicht über Nacht. Erste Effekte zeigen sich meist nach ein bis zwei Wochen regelmäßiger Einnahme. Eine spürbare Verbesserung stellt sich bei vielen nach drei bis vier Wochen ein.

Der unterschätzte Einfluss von Schweinefleisch

Weniger bekannt – aber in meiner Praxis auffällig – ist der Einfluss von Schweinefleisch. Nicht wegen Histamin an sich, sondern weil es bei vielen Patienten wie ein Verstärker wirkt. Der Grund liegt unter anderem im hohen Gehalt an Arachidonsäure – einer Omega-6-Fettsäure, die Entzündungen im Körper begünstigt und das histaminvermittelte Reizniveau zusätzlich anheben kann.
Gerade bei empfindlichen Patienten sehe ich immer wieder: Erst wenn Schweinefleisch konsequent vom Speiseplan gestrichen wird, bessern sich diffuse Beschwerden spürbar – selbst dann, wenn die restliche Ernährung schon angepasst war. Deshalb rate ich dazu, Schweinefleisch grundsätzlich zu meiden.

Fazit: Kleine Änderungen – spürbare Wirkung

Wer dauerhaft unter unspezifischen Beschwerden leidet und schulmedizinisch „gesund“ erscheint, sollte Histamin in den Blick nehmen. Keine starre Diät, kein Dogma – sondern ein bewusstes Ausprobieren, Beobachten und Verstehen. Oft sind es nicht die großen Umstellungen, sondern kleine Veränderungen mit großer Wirkung. Und manchmal reicht schon der Verzicht auf Schweinefleisch und Rotwein, um den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Gerade in der Naturheilkunde gilt nicht ohne Grund: „Der Tod sitzt im Darm“ – oder auch: „Der Mensch schaufelt sich sein Grab mit Messer und Gabel.“ Denn was viele übersehen: Hinter einer Histaminbelastung stehen oft tiefere Störungen – etwa ein überlasteter Darm, gestörte Verdauungsfunktionen oder chronische Verstopfungen. Deshalb geht es nicht nur um das Weglassen einzelner Lebensmittel, sondern um eine gezielte Entlastung und Stärkung des Systems. Und das beginnt sehr oft im Darm.

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