Familienunternehmen kommen nicht an Notkredite: Bund soll 100-Prozent-Haftung übernehmen
Zu 90 Prozent soll der Staat für die vom Bund in Aussichten gestellten Corona-Notkredite an Familienunternehmen haften, für den Rest die Hausbanken. Diese wollen jedoch keine Probleme mit der Bafin riskieren. Deshalb werden derzeit 74 Prozent aller Anträge abgelehnt.

Derzeit beschäftigen Familienunternehmen in Deutschland acht Millionen Menschen. Symbolbild.
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Unter den Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland leiden vor allem die Familienunternehmen. Wie der Publizist Gabor Steingart in seinem „Morning Briefing“ vom Mittwoch (1.4.) erläutert, ist es für kleinere Unternehmen deutlich schwieriger, die erforderliche Liquidität sicherzustellen, derer es bedarf, um die voraussichtlich noch mehrere Monate andauernde Krise zu überstehen. Eine Umfrage des Verbandes der Familienunternehmen unter 1500 Mitgliedern macht deutlich, wie massiv die Krise sich auf dieses Wirtschaftssegment auswirkt.
Demnach sei bei 65 Prozent der Familienunternehmen die wirtschaftliche Aktivität seit Beginn der Krise deutlich gesunken, im Schnitt um 50 Prozent. Nur 28 Prozent melden keine Veränderung, sieben Prozent – wahrscheinlich Anbieter krisenrelevanter Güter und Dienstleistungen – sprechen von positiven Effekten auf die Auftragslage.
Am meisten schadet der Nachfrageeinbruch infolge der Schließung von Verkaufsstellen den Unternehmen – 87 Prozent der Befragten nannten dies als Grund für weniger Umsatz. Elf Prozent gaben Personalengpässe und nicht verfügbare Vorprodukte an. Sechs Prozent fehlt es an Rohstoffen, sieben Prozent finden keine Transportmöglichkeiten.
Während 31 Prozent der befragten Unternehmen bereits Kurzarbeitergeld beantragt hätten, wollten 33 Prozent bis Ende der kommenden Woche nachziehen. Was die Liquidität anbelangt, gehen 26 Prozent davon aus, unter Mobilisierung vorhandener Reserven bis zu drei Monate durchhalten zu können. Die Krise noch für maximal drei Monate zu überstehen, trauen sich 26 Prozent zu. Nach maximal acht Wochen müssten sie ihren Betrieb einstellen, meinen 28 Prozent, fünf Prozent geben an, nur noch für maximal zwei Wochen weitermachen zu können.
Auch die ARD-Sendung „Börse vor acht“ macht darauf aufmerksam, dass es vor allem die mittelständischen Familienbetriebe seien, denen der Stillstand am meisten schade. Zwar seien diese verhältnismäßig gesund und eigenkapitalstark. Allerdings seien sie auch auf kontinuierliche Einnahmen angewiesen, um ihre Geschäftstätigkeit aufrechterhalten zu können. Werde die Wirtschaft nicht in absehbarer Zeit wieder hochgefahren oder erlangten die Unternehmen nicht zeitnah Zugriff auf die in Aussicht gestellten Notkredite, drohe ein Massensterben eigentlich intakter Betriebe.
Dies sei jedoch trotz der Zusagen vonseiten des Bundes nicht gewährleistet. Gründe dafür seien unter anderem hohe bürokratische Hürden – und knappes Personal in den mit der Durchführung der Maßnahmen betrauten Behörde selbst. Immerhin gebe es auch dort Einschränkungen des regulären Betriebs.
Vor allem aber die Frage der Haftung hindere, so „Börse vor acht“, die Gewährung der Kredite. Zu 90 Prozent hafte zwar der Staat für diese, zu zehn Prozent allerdings die Hausbank der Betroffenen. Dazu müssten diese jedoch entsprechendes Eigenkapital hinterlegen. Derzeit seien 74 Prozent der bislang beantragten Notkredite abgelehnt worden – da die Banken das Restrisiko nicht tragen wollten. Zu den prominentesten Opfern dieser Geschäftspolitik gehört unter anderem die Warenhauskette Karstadt/Kaufhof, der erst jüngst ein Notkredit verweigert wurde.
Aus diesem Grund habe nicht nur der Verband der Familienunternehmen, sondern auch der frühere hessische Finanzminister Thomas Schäfer eine temporäre 100-prozentige Staatshaftung für die Notkredite gefordert – wenige Tage vor seinem Freitod am vergangenen Samstag. Ohne eine Rückendeckung durch die EU-Kommission sei dies jedoch nicht machbar.
Derzeit beschäftigen Familienunternehmen in Deutschland acht Millionen Menschen. Möglicherweise werden sich bis zu 5,1 Millionen von ihnen demnächst in Kurzarbeit wiederfinden. Zu den bekannten Unternehmen, die diese bereits angemeldet haben, gehören Türenhersteller Hörmann, Kopfhörerspezialist Sennheiser aber auch Miele oder Bosch.
Im Gespräch mit Gabor Steingart warnt Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, vor unkalkulierbaren Folgen, sollte auch nur ein Drittel der Familienunternehmen während der kommenden Wochen seinen Betrieb einstellen:
„Das führt dazu, dass auch die anderen zwei Drittel der Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, weil das ja zugleich auch Zulieferer und Dienstleister dieser Unternehmen sind. Dann gerät die ganze Wirtschaft ins Trudeln.“
Den Banken sei kein Vorwurf zu machen, sie seien selbst an die rigiden Bonitätsvorgaben der Bafin gebunden. Der Bund sei deshalb nun gefordert. Er stehe vor der Alternative, jetzt eine mutige Entscheidung zu treffen oder in wenigen Monaten die Folgen eines ökonomischen Zusammenbruchs bewältigen zu müssen:
„Die Banken sind da in einer Zwickmühle, aus der man sie nur befreien kann, indem der Bund eine 100-Prozent-Garantie für einen Zeitraum von – sagen wir mal – drei Monaten übernimmt.“
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