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Reformprogramm angekündigt

ifo-Analyse bescheinigt Deutschlands Wirtschaft anhaltende Talfahrt – Lindner will handeln

Das Bundesfinanzministerium hat beim ifo-Institut eine Kurzanalyse zum Wirtschaftsstandort Deutschland in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist verheerend. Minister Lindner hat nun erklärt, an einem Reformprogramm für ein „strukturelles Update“ zu arbeiten.

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Wirtschaftsforscher und ifo-Präsident: Clemens Fuest.

Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Ein „ernüchterndes Bild“ zeichnet eine Kurzanalyse des ifo-Instituts zur Standortqualität Deutschlands, die das Institut im Auftrag des Bundesfinanzministeriums angefertigt hat. Bundesminister Christian Lindner will dem Land deshalb nun ein „strukturelles Update“ verpassen. Derzeit würden Experten konkrete Vorschläge vorbereiten. Am Ende solle ein Reformprogramm stehen, das durch eine Senkung der Steuerlast Unternehmen und Bürger stärken solle.

ifo geht von weiterem Abstieg in den nächsten zehn Jahren aus

Am Montag, 19. Februar, hat ifo-Ökonom Niklas Potrafke das Papier in Berlin vorgestellt. Zuvor hatte ifo bereits 1.541 Berufskollegen aus 128 Ländern über Stärken und Schwächen ihre Standorte befragt. Die deutschen Teilnehmer teilten einhellig eine grundlegende Einschätzung: Deutschland habe nicht nur im Laufe der vergangenen zehn Jahre an Attraktivität verloren. Das Land zeige auch mit Blick auf die bevorstehenden zehn Jahre kaum Anzeichen auf Abwendung eines weiteren Abstiegs.
Wie das „Handelsblatt“ schreibt, betrachten die Befragten das Land als Standort für nationale Unternehmen immerhin noch als durchschnittlich wettbewerbsfähig. Eindeutig unterdurchschnittlich sei Deutschland hingegen für ausländische Unternehmen – lediglich Großbritannien und Italien hätten diesbezüglich eine ähnlich durchwachsene Bilanz.
Als besonders nachteilig nahmen die Experten Bürokratie, schleppende Digitalisierung, Energiekosten, Ressourcenknappheit und Fachkräftemangel wahr. Dazu kommen noch hohe Steuern und Arbeitskosten.

Vermittlungsausschuss berät am Mittwoch über Wachstumschancengesetz

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat nun angekündigt, demnächst ein in seinem Haus erarbeitetes Reformprogramm zu präsentieren. Einen Schwerpunkt dabei sollen umfangreiche Steuerentlastungen für Unternehmer und Bürger darstellen. Vor allem die – je nach Höhe der Gewerbesteuer – bis an die 30 Prozent reichende Unternehmenssteuerbelastung solle sinken.
Das Entlastungspaket solle zudem ein viertes Bürokratieabbaugesetz umfassen. Das hat Finanzstaatssekretär Florian Toncar angekündigt. Eines sei noch ausständig – es sei Teil des Wachstumschancengesetzes, das Entlastungen im Umfang von etwa sieben Milliarden Euro für die Wirtschaft vorgesehen hatte. Der Bundesrat blockiert dieses allerdings. Die Ländervertreter fühlten sich nicht ausreichend eingebunden. Am Mittwoch soll der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss finden.
Um dem Arbeitskräfteengpass gegenzusteuern, soll das Paket auch „bessere Erwerbsanreize“ beim Bürgergeld schaffen – im Klartext: weitere Verschärfungen für Bezieher. Ferner werden flexiblere Arbeitszeiten und Renteneintrittsregelungen einen Kern der Reformagenda darstellen.
Ob Lindner bezüglich seines Vorhabens die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben könnte, ist noch unklar. Bis dato hatten die Grünen zwar ein grundsätzliches „Ja“ zu weniger Belastung der Unternehmen signalisiert. Sie verstehen allerdings darunter eher Subventionen – und das vor allem nur von Unternehmen, die eine „Transformation“ in Richtung Klimaneutralität vollziehen.

Reaktionen von SPD und Grünen stehen noch aus

Für die SPD hingegen ist das Bürgergeld ein zentrales Aushängeschild. Sie haben damit immerhin das von der Schröder-SPD geschaffene Hartz-IV-System beseitigt, das innerhalb der eigenen Zielgruppe für erhebliche Verwerfungen gesorgt hatte. Schon jetzt mussten die Sozialdemokraten Abstrichen von ihrem ursprünglichen Konzept zustimmen, um das Bürgergeld durch den Bundesrat zu bekommen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sie eine weitere Entwicklung zurück zu Hartz IV mittragen würden.
Grüne und SPD lehnen zudem die von der FDP geforderte vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab. Darüber hinaus drängen sie auf eine Aussetzung der Schuldenbremse und mögliche neue Sondervermögen.
Es wird also weiterhin offenbleiben, ob sich die Ampel auf ein gemeinsames Vorgehen im Hinblick auf ein Reformpaket einigen kann – und dessen Finanzierung. ifo-Chef Clemens Fuest warf den Regierungsparteien unterdessen vor, selbst ein Faktor für die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft zu sein.

ifo-Chef Fuest: Ampel trägt selbst wesentlich zur Verunsicherung bei

Die „Tagesschau“ zitiert aus einem Vorabbericht der „Augsburger Allgemeinen“, der gegenüber Fuest geäußert hatte:
„Die Verunsicherung der Wirtschaft muss sich die Ampel zuschreiben lassen.“
Diese sei in keinem Industrieland so groß wie in Deutschland. Die Unternehmen wüssten nicht, wohin die Politik steuere, deshalb „stellen sie große Investitionen zurück oder investieren im Ausland“. All dies sei ein wesentlicher Faktor, der zur Stagnation beitrage.
Die einzelnen Belastungen an sich wären für die Unternehmen möglicherweise auszuhalten, äußert Fuest, „aber die Masse der Belastungen wird zum großen Problem“. Zu den größten Problemen gehörten dabei teure Energiepreise und hohe Zinsen. Aber auch Bürokratie, Steuerbelastung und Arbeitskräftemangel würden die Lage in erheblichem Maße verschärfen.

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