Landwirte fordern Mitspracherecht bei europäischer Agrarreform
Die von den Landwirten geplante Großdemonstration in Brüssel wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Grund dafür sind die Corona-Maßnahmen. Stattdessen gibt es viele kleinere Proteste – auch die „Lichterfahrten“ der Bauern zählen dazu.
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Landwirte bei ihrem Protest am 13. Dezember 2021 in Rozenburg in der Nähe des Airport Schiphol, Niederlande.
Am 13. und 14. Dezember wollten Landwirte aus den Ländern der Europäischen Union während der Tagung der EU-Agrarminister in Brüssel zusammenkommen, um gegen den „New Green Deal“ und die „Farm-to-Fork“-Strategie zu protestieren.
Geplant war, mit Traktoren und Schleppern zur Kundgebung auf dem Place du Luxembourg vorzufahren, um sich für faire Rahmenbedingungen einzusetzen. Coronabedingt wurde der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben.
Statt der Großdemonstration in Brüssel gab es mehrere kleinere Aktionen in ganz Deutschland. Würzburger Landwirte fuhren mit 200 Schleppern von Rottendorf nach Veitshöchheim, dem symbolischen Mittelpunkt der EU.
Die Landwirte organisierten auch weihnachtliche Lichterfahrten unter dem Motto: „Ein Funken Hoffnung“. Zur Freude der Mitorganisatoren und Zuschauer gab es Konvois im Chiemgau, an mehreren Orten in Niedersachsen und Köln.
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Die Hintergründe der Protestfahrt nach Brüssel
Grund für die geplante Fahrt nach Brüssel sind gescheiterte Gespräche zwischen den Bauern und dem Lebensmitteleinzelhandel. Als greifbare Ergebnisse in Reichweite waren, platzten die Gespräche des „Agrardialogs“ im September 2021.
Die „Großen 4“, bestehend aus Edeka (Netto), Lidl, Aldi und Rewe, stellten nach Monaten intensiver Lösungssuche die Verhandlungen ohne konkrete Zugeständnisse ein und forderten ein neues Format. Der Deutsche Bauernverband hatte sich trotz mehrfacher Einladung nicht an den Gesprächen beteiligt, sondern sich von den Protesten der Landwirte auf den Straßen distanziert.
Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Gruppen aus dem Agrarsektor wird beklagt, dass die Landwirte bei der Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Systems nicht mitreden dürfen.
Ihnen zufolge würden die von Brüssel geplanten Umstrukturierungen keine Besserstellung für die einfachen Bauern und Bäuerinnen bringen. Es sei weiterhin nicht möglich, kostendeckend zu produzieren. Die Bauern sehen die Ernährungssicherheit sowie ihre Existenz in Deutschland bedroht.
Ohne Landwirte kein Green Deal
Die große Mehrheit der hauptberuflichen Bauern machte nach Schätzungen der Landwirtschaftskammern in diesem Jahr Verluste.
„Ich bin erschrocken, wie viele Landwirte und Kollegen, die 2019 noch bundesweit mit uns protestierten, aufgehört haben, ihre Höfe schließen mussten“, sagt Landwirt Jan-Bernd Stolle, der zu den neuen Protesten aufrief. Und auch: „Wir verlieren jeden Tag bares Geld auf den Höfen.“
Die Lage der Bauern hat sich seit den bundesweiten Protesten der Vorjahre zugespitzt und verschlechtert. Daher stehen die Bauern seit dem 18. November mit ihren Treckern wieder vor dem Edeka-Zentrallager in Wiefelstede. Hier fand bereits vor zwei Jahren der erste Auftaktprotest vor den Lebensmitteleinzelhandel-Zentrallagern statt.
Die Landwirte fordern ein faires Agrarsystem, die Deckelung der Produktionskosten und die Einbeziehung der Bauern in die Klimastrategien. Den neuen „Green Deal“ wird es ohne Mitsprache- und Gestaltungsrecht der Landwirte nicht geben, so die Bauern.
Cem Özdemir: „Landwirte brauchen verlässliche Perspektiven“
Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir reiste unterdessen zu seiner ersten Sitzung des EU-Agrarministerrates nach Brüssel. Besprochen wurden Fischfangquoten und Maßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken. Der neugewählte Özdemir sagte, dass „auf europäischer Ebene Deutschland kraftvoll vorangehen wolle.“
Es sei auch das Anliegen der Landwirte, dass mehr für Klimaschutz, Artenreichtum und Tierschutz getan werde. Landwirte müssten wettbewerbsfähig sein und bräuchten verlässliche Perspektiven. Der politische Rahmen dafür werde vielfach auch in Brüssel gesetzt. „Ich will einen wirkungsvollen Beitrag leisten, hier voranzukommen und unterschiedliche Interessen zusammenzubringen“, so Özdemir.