Transportsektor in der Krise
Warnung der Transportbranche: Weihnachten droht Lieferketten-Kollaps
Gleich mehrere internationale Institutionen warnen vor einem drohenden Zusammenbruch des globalen Transportsystems. Ihre Forderung: Die nationalen Regierungen müssen umgehend gegensteuern.

LKWs. Dan Kitwood/Getty Images
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Die akuten Lieferengpässe wegen des Containermangels auf den Weltmeeren könnten sich in den kommenden Wochen dramatisch verschärfen. Die Internationale Schifffahrtskammer (ICS), der Weltverband des Straßentransports, der Internationale Luftverkehrsverband (IATA) und die Internationale Transportarbeiter-Föderation warnen in einem offenen Brief an die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit eindringlichen Worten vor einem „Kollaps des globalen Verkehrssystems“. Reiseverbote und andere Einschränkungen hätten das Wohlergehen ihrer Beschäftigten während der Corona-Zeit massiv beeinträchtigt.
„Seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat die See-, Straßen- und Luftfahrtindustrie die Regierungen laut und deutlich aufgefordert, die Freizügigkeit der Transportarbeiter zu gewährleisten und Reiseverbote und andere Beschränkungen aufzuheben, die sich enorm nachteilig auf ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit ausgewirkt haben“, so die ICS. Doch die Regierungschefs hätten es versäumt, zuzuhören, die Schuldzuweisungen innerhalb und zwischen den Regierungen zu beenden und die entscheidenden und koordinierten Maßnahmen zu ergreifen, die zur Lösung dieser Krise erforderlich seien.
Die Unterzeichner stehen für ein jährliches Volumen von mehr als 20 Billionen Dollar und repräsentieren 65 Millionen Beschäftigte im globalen Transportwesen, über 3,5 Millionen Straßengüterverkehrs- und Luftfahrtunternehmen sowie mehr als 80 Prozent der weltweiten Handelsschiffsflotten. „Seeleute, Flugpersonal und Fahrer müssen in der Lage sein, weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen und Grenzen zu überschreiten, um die Lieferketten in Gang zu halten“, mahnen die Transportverbände.
„Wir fordern die Regierungschefs auf, dringend die notwendige Führungsrolle zu übernehmen, um die fragmentierten Reisevorschriften und -beschränkungen zu beenden, die die globale Lieferkette stark beeinträchtigt und die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter im internationalen Transportwesen gefährdet haben.“
In allen Verkehrssektoren herrsche ein Mangel an Arbeitskräften, wegen der „schlechten Behandlung“, die Millionen Menschen während der Pandemie erfahren hätten. Auf dem Höhepunkt der Krise im vergangenen Jahr hätten 400.000 Seeleute ihre Schiffe nicht verlassen können, einige arbeiteten laut der Internationalen Schifffahrtskammer bis zu 18 Monate über das Ende ihrer ursprünglichen Verträge hinaus.
„Wir laufen sehenden Auges in einen Versorgungskollaps“
Unterdessen hat die Regierung in London angesichts der Kraftstoffkrise in Großbritannien Lastwagenfahrer der Armee in Bereitschaft versetzen lassen. Schon Ende September kam es zu Benzin-Panikkäufen, als einige Tankstellen wegen des Fahrermangels schließen mussten. Der Mangel an LKW-Fahrern führte auch zu Lücken in Supermarktregalen. Die britische Regierung sah sich deshalb genötigt, befristete Visa für 5.000 ausländische Lkw-Fahrer anzukündigen, um die angespannten Lieferketten zu entlasten.
Dies erscheint indes wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Einiges deutet darauf hin, dass sich die Lage global sogar weiter zuspitzen könnte. ICS-Generalsekretär Guy Platten zufolge werden wegen der bevorstehenden Weihnachtszeit weniger Verträge unterschrieben, weil die Arbeiter die Feiertage nach dem immensen Druck während der Corona-Krise lieber mit ihrer Familie verbringen möchten.
Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung sieht die britischen Verhältnisse auch in Deutschland. „Ich gehe aber fest davon aus, dass wir in Westeuropa die gleiche Situation haben werden, nur etwas zeitversetzt. Auch hierzulande fehlten zwischen 60.000 und 80.000 LKW-Fahrer. Zugleich gehen laut Engelhardt Jahr für Jahr rund 30.000 Trucker in den Ruhestand – aber nur 15.000 Nachwuchsleute rücken nach. Sein Fazit klingt wenig ermutigend: „Wir warnen davor, dass wir auch in Westeuropa sehenden Auges in einen Versorgungskollaps laufen.“
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